Kommentar:Ehrenamt neu denken

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Der Rücktritt einer Kraillinger Gemeinderätin hat Signalwirkung

Von Carolin Fries

Schon wieder ein Rücktritt, diesmal in Krailling. Der nächste bitte, könnte man sagen. Oder aber einmal genauer hinhören, was die Grünen-Gemeinderätin nach zehn Jahren als Grund für das beendete Engagement anführt, das sie bewusst als "Signal" verstanden wissen will. Es wurde ihr zuviel, sie hat es zeitlich nicht mehr geschafft, sich auf die Sitzungen vorzubereiten. Beruf, Familie und Mandat seien nicht länger vereinbar. Das sollte Grund zum Nachdenken geben. Denn die Situation von Adrienne Akontz ist kein Einzelfall.

Wer sich einmal umsieht in den Stadt- und Gemeinderäten, stellt fest: Die Kommunalpolitik heute ist durch den Mangel an Frauen und an jungen Menschen gekennzeichnet. Laut einer Studie der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) Berlin liegt der Frauenanteil in deutschen Kommunalparlamenten bei knapp einem Viertel. Die "Rushhour"-Generation zwischen 30 und 40 Jahren sucht man im kommunalpolitischen Haupt- und Ehrenamt gleichermaßen vergeblich. Warum? Da sind zum einen die relativ starren, männlich geprägten Strukturen. Vor allem aber ist es der hohe Zeitaufwand, der junge Menschen abschreckt. Laut EAF-Studie wenden die befragten Stadt- und Gemeinderätinnen im Durchschnitt etwa zehn Stunden wöchentlich auf; 50 Prozent sogar bis zu 20 Stunden. Kommt eine weitere Aufgabe wie zum Beispiel ein Ausschusssitz hinzu, erhöht sich der Zeitaufwand.

Was also tun? Denn dass Politik nicht ausschließlich von Rentnern gemacht werden sollte, versteht sich von selbst. Adrienne Akontz schlug "kleine Portionen" vor, weniger Tagesordnungspunkte pro Sitzung. 2008 hatte sie einen eigenen Umweltausschuss beantragt, um die Arbeit noch mehr zu verteilen - vergeblich. Stephan Bock von der Kraillinger SPD hält die gegebenen Strukturen ebenfalls für veraltet und schlägt parteiübergreifende Arbeitsgruppen vor, um Gemeinderatssitzungen abzukürzen. Die Tendenz ist die Gleiche: Lieber einmal in der Woche für eine Stunden zusammenkommen, als einmal im Monat für ein Mammutprogramm. Sollte der Kraillinger Gemeinderat auch künftig Wert auf jüngere Menschen in seinen Reihen legen, sollte er über derlei Ideen zumindest einmal offen diskutieren.

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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