Kommentar:Den eigenen Ruf beschädigt

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Für die Padres auf dem Heiligen Berg zu Andechs scheint Kultur keinen hohen Stellenwert mehr zu haben

Von Gerhard Summer

Es ist mitunter schwer nachzuvollziehen, wie das Kloster Andechs zu seinen Entschlüssen kommt und vor allem, warum es dazu oft so lange braucht. Beides, die Entscheidungen und die Nicht-Entscheidungen, haben in den vergangenen Jahren das Bild der Abtei nach außen geprägt, allerdings zu ihrem Nachteil. Der unerträgliche Rechtsstreit mit der Molkerei Scheitz in Andechs, aber auch das Trauerspiel um das Gasthaus Andechser Hof in Tutzing stießen landauf, landab auf großes Befremden. Als im vergangenen Jahr das überraschend plötzliche Ende der Carl-Orff-Festspiele dazukam, dürfte sich der Eindruck verfestigt haben, dass in Andechs längst die unerbittlichen Gesetze der Marktwirtschaft gelten und sonst gar nichts. Gut, Abt Johannes Eckert mag bei der Wahl des künstlerischen Leiters Marcus Everding kein glückliches Händchen gehabt haben. Das kann passieren. Aber warum war bisher nie die Rede davon, wie es nach dem Orff-Festival weitergehen könnte? Immerhin schreibt sich Andechs gern ein "reiches Musikleben" zu und schmückt sich mit den Namen von Caspar Ett, Pater Kajetan Kolberer und anderen Komponisten. Warum also kein Ett-Festival? Oder, weil Ett nicht zieht, Tage Alter Musik? Die Antwort heißt womöglich: weil Kultur in aller Regel ein Draufzahlgeschäft ist und das Kloster seine primäre Aufgabe nicht darin sieht, Festivals zu veranstalten. Was gerade in der heutigen Zeit, da Musik als wichtiger Wirtschafts- und Imagefaktor gilt, erstaunlich kurzsichtig ist.

Inzwischen hat Andechs nicht mal mehr einen Kirchenmusiker. Und es zeichnet sich ab, dass der Nachfolger, wenn er denn gefunden wird, wieder bei Null anfängt. Man könnte es sich einfach machen und behaupten, dass die Abtei die Sache schlicht verbummelt hat. Im Grunde hätte sie ja schon im Sommer 2015 mit der Suche beginnen können. Denn längst war klar, dass Anton Ludwig Pfell im September in den Ruhestand geht. Gut, im Nachhinein ist jeder schlauer. Viel schwerer wiegt, dass es zumindest erstaunlich wäre, wenn die Bewerber diesem Bier-Kloster die Tür einrennen würden. Denn Andechs hat seinen Ruf als Hort der Klassik mit seiner Streitlust, seiner Taktiererei und Knauserei selbst beschädigt.

© SZ vom 23.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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