Kommentar:Das Geld, die Bahn und Eva John

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Für die Seeanbindung soll kein Geld da sein, für Schnickschack schon

Von Peter Haacke

Eine Finanzierungslücke von 50 bis 83 Millionen Euro will Eva John, einst oberste Finanzhüterin des Landkreises, für Starnbergs wichtigstes Großprojekt ausgemacht haben: die Seeanbindung. Bei Altbürgermeister Ferdinand Pfaffinger, der diesem Projekt allerhöchste Priorität eingeräumt hatte, betrug die Summe noch 40 Millionen. Doch auf das Geld kommt es im Zweifel auch gar nicht an: Unbestritten sind alle genannten Summen ebenso richtig wie falsch, zumal nach oben und unten sehr viel Luft in den Kalkulationen steckt. Und ebenso unbestritten ist, dass die Umgestaltung der prominentesten Stelle Starnbergs das Gesicht der Kreisstadt die nächsten 150 Jahre prägen wird - ein Jahrhundertprojekt also.

Starnbergs Bürgermeisterin aber hat 2014 die Sanierung des Wasserparks für viel wichtiger erachtet: Knapp 30 Millionen Euro, vielleicht aber auch mehr, wird das kosten. Hinzu kam in den vergangenen zwei Jahren viel teurer Kleinkram, der die Stadt vielleicht ein bisschen schöner machte, die städtischen Konten aber auch sehr erleichterte. Und die Seeanbindung? Nicht so wichtig! Noch heute findet sich auf der Eva-John-Homepage zum Thema der entscheidende Hinweis: "Wir unterstützen die Ziele des Vereins Schöner zum See". Doch dieser der WPS nahestehende Club, dessen vordringliches Ziel es bislang war, den Bahnvertrag von 1987 bis Jahresende 2017 schlicht gegen die Wand zu fahren oder - um im Bilde zu bleiben - im See zu versenken, wird von der Deutschen Bahn als Gesprächspartner nicht akzeptiert. Und John selbst mochte mit der Bahn bis jetzt offenbar gar nicht reden: Lediglich fünf E-Mails, sechs Briefe und ein Telefonat sind zwischen Deutscher Bahn und Starnberger Rathaus in den vergangen zwei Jahren dokumentiert.

Besonders denkwürdig aber: Diejenigen, die im Wahlkampf lautstark eine Umfahrung zur Verkehrsentlastung propagierten, reklamieren jetzt Kosten mit ruinösen Folgen für die Stadt durch die Seeanbindung mit Gleisverlegung. Nachdenklich stimmt in diesem Zusammenhang auch ein Blick auf die Zahlen: 88 Millionen Euro beträgt der Gesamtetat der Stadt, etwa 14,7 Millionen Rücklagen wurden in den vergangenen zwei Jahren nahezu komplett abgeschmolzen, der Schuldenstand der Kreisstadt beträgt derweil 17 Millionen. Eine Umfahrung aber, die von der Stadt selbst finanziert werden müsste, kostet - ungeachtet aller übrigen Hemmnisse - rund 200 Millionen. Den 160 Millionen schweren B2-Tunnel wollen die Umfahrungsfreunde jedoch nicht mal geschenkt haben.

Nun also ist guter Rat teuer, zumal der einseitige Ausstieg aus dem Bahnvertrag unabsehbare Folgen haben dürfte. Und jetzt will der Stadtrat ausgerechnet John zu entscheidenden Gesprächen mit der Deutschen Bahn "zwingen". Spannend, was dabei herauskommen soll. Denn bei allem ernsthaften Bemühen um eine machbare Lösung zur Seeanbindung darf man einen entscheidenden Aspekt nicht unterschlagen: Bislang hat nur äußerst selten eine Mannschaft gewinnen können, deren Kapitän ganz offensichtlich gegen die Mehrheit des eigenen Teams - hier also den Stadtrat - spielt.

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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