Informationsfahrt:Wo Starnbergs Müll landet

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Einst hatte der Landkreis seinen Unrat bis nach Mecklenburg-Vorpommern gekarrt, inzwischen kümmert sich die Firma Wurzer in Eitting bei Erding um die Bioabfälle und den Inhalt der Gelben Säcke

Von Sabine Bader, Starnberg/Eitting

Diese Frage können die meisten Landkreisbürger wohl nicht beantworten: Wo geht er hin, der Starnberger Biomüll, und was passiert mit ihm? Und die zweite gleich hinterher: Wo und wie wird eigentlich der Inhalt der gelben Säcke aus dem Landkreis sortiert? Beides können wir jetzt klären: Der Inhalt der meisten Biotonnen und Gelben Säcke geht nach Eitting im Landkreis Erding. Zur Firma Wurzer.

"Puhh, das stinkt." Einem Vertreter des Abfallwirtschaftsverbands Starnberg (Awista) entfährt dieser Satz schon beim Aussteigen aus dem Bus auf dem Firmengelände in Eitting. Die Awista-Verbandsräte sind am Mittwoch auf Besichtigungsfahrt. Sie wollen ergründen, was genau mit dem Starnberger Biomüll passiert. Und das kann man nun mal am Besten direkt bei der Wurzer Umwelt GmbH machen. Dass es hier etwas streng riecht, liegt einzig und allein an den beharrlich vor sich hindampfenden Biomüllhaufen, die auf dem großen Firmengelände auf die Weiterverarbeitung warten.

Leider regnet es, als die 22-köpfige Delegation, bestehend aus Verband- und Kreistagsmitgliedern, Bürgermeistern und Landrat Karl Roth, zur Besichtigungstour aufbricht. Zuerst geht es natürlich in Richtung dampfende Haufen. Sie wirken irgendwie anziehend, diese braunen Berge. Einer davon ist aus dem Landkreis Starnberger.

Wenn man jedoch näher kommt, ist es vorbei mit der Herrlichkeit. Denn im Biomüll der Starnberger liegen haufenweise Plastiktüten. "Die gehören da doch wirklich nicht hin", entfährt es Landrat Karl Roth. Da hat er recht. Denn bevor es so richtig los geht mit der Biomüllvergärung, müssen die Mitarbeiter der Firma Wurzer diese Störenfriede aus Plastik mit Rechen entfernen. Eine wenig erfreuliche Arbeit. Die Starnberger können sich allerdings damit trösten, dass der Biomüll vom Starnberger See nicht anders aussieht als der aus anderen Landkreisen und immer noch besser als Biomüll aus der Landeshauptstadt. Bis aus diesen Müllhaufen allerdings fertiger Biokompost wird, vergehen an die sechs Wochen. Der Bioabfall muss mehrere Hallen und Stationen durchlaufen. Darunter auch 21 Tage lang die Vermentierhalle, wo dem Biomüll Bakterien und Wasser zugegeben werden und in riesigen Rohren Wärme (52 Grad Celsius) entsteht. Mit der Abwärme heizt das Unternehmen seine Hallen, das Wasser und Duschen.

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(Foto: Renate Schmidt)

Landrat Karl Roth begutachtet den Biomüll aus Weßling, der gerade frisch geliefert wurde.

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(Foto: Renate Schmidt)

Es riecht streng und es herrscht Chaos: die Firma Wurzer in Eitting.

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(Foto: Renate Schmidt)

Die Firma Wurzer ist schon eine Reise wert, findet eine Delegation des Abfallwirtschaftsverbands Starnberg, darunter auch Bürgermeistersprecher Rupert Monn.

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(Foto: Renate Schmidt)

In der Wertsoffsortieranlage wird Plastik aussortiert, "Qualitätsarbeit" wird dieser Vorgang genannt.

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(Foto: Renate Schmidt)

Alu oder Blechdosen sollten immer getrennt entsorgt werden - das erleichtert die Arbeit in der Sortieranlage.

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(Foto: Renate Schmidt)

Riesige Wertstoffballen türmen sich in der großen Halle. Sie sind zu mehr als 90 Prozent sauber.

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(Foto: Renate Schmidt)

Das Blockheizkraftwerk von innen.

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(Foto: Renate Schmidt)

Im Hintergund das Kompostwerk mit riesigen Bergen frischer Bioerde.

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(Foto: Renate Schmidt)

Aus dem Bioabfall entsteht fertige Bioerde.

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(Foto: Renate Schmidt)

Abfall lagern und abwarten - das Ergebnis? Riecht wie Erde, ist Erde!

Jetzt mag man sagen, der Landkreis Starnberg ist ohnehin Meister darin, es sich in Sachen Müll leicht zu machen: Ihren Restmüll fahren die Starnberger nach München in die Verbrennungsanlage, früher karrten sie ihn sogar nach Mecklenburg-Vorpommern. Ihren Biomüll und die Gelben Säcke bringen sie nach Erding, und selbst das Papier wird außerhalb des Landkreises entsorgt - in Zorneding (Landkreis Ebersberg). Im Abfallwirtschaftsverband und bei der Firma Wurzer wird dies allerdings etwas anderes gesehen. Das Ganze diene dem gegenseitigen Nutzen, heißt es: Schließlich beschäftigt die Firma 314 Mitarbeiter und kann dies nur, wenn sie mit Müll beliefert wird. Anlagen wie die in Etting müssen schließlich ausgelastet sein. Die Folge: Im Kreis Starnberg spart man den Bau einer eigenen Biovergärung.

Der Awista-Vertrag mit Wurzer läuft noch bis Ende 2018. Danach wird laut Awista-Geschäftsführer Peter Wiedemann neu ausgeschrieben. Allerdings muss der Landkreis, wie er sagte, nicht das günstigste Angebot nehmen, sondern das Wirtschaftlichste. Mit der Firma Wurzer, so Wiedemann, arbeite man seit Jahren zur gegenseitigen Zufriedenheit zusammen. Hans Kennst, Betriebsleiter bei Wurzer, erzählt den Starnberger Gästen nebenbei auch etliches über seinen Arbeitgeber, der die Erdinger Firma als junger Mann gegründet hat: Franz Wurzer, ein Bauernbub aus dem Rottal. 1979 ging seine erste vollautomatische Biogasanlage in Betrieb. Heute lagern in den riesigen Hallen nicht nur Grünabfälle und Plastikmüll, es stehen darin auch mehr als 500 Spezialmaschinen. Darunter viele Fahrzeuge - vom Schneeräumer bis zum großen Laster. Um die Mitarbeiter auch im Winter weiter beschäftigten zu können, verrichtete Wurzer auch Räumdienste in der Umgebung. "Wir haben viele Nischengeschäfte", sagt Kennst.

Kein Nischengeschäft ist sicher das Sortieren von Wertstoffen in Gelben Säcken. In die Säcke, die 14-tägig an den Gartenzäunen im Landkreis Starnberg hängen, dann abgeholt und zur Firma Wurzer gebracht werden, gehören Blech, Alu und Verbundmaterial. Bei Wurzer wird der Inhalt sortiert und die einzelnen Fraktionen verkauft. Hauptabnehmer sind Bau- und Autoindustrie. Auch Putzkübel und andere Gegenstände werden aus dem Altplastik gefertigt. "Das Recycling von Kunststoff wird immer gefragter", sagt Andreas Schmied, Betriebsleiter Wertstoff bei Wurzer. Am allermeisten Plastikmüll landet übrigens an Weihnachten im Gelben Sack - gut ein Drittel mehr als sonst. Einleuchtend.

Es ist schon faszinierend, wenn man vor den riesigen Haufen mit Plastikabfall steht: Folien, Tetrapacks, Dosen. Alles ein heilloses Durcheinander. Das gilt es zu ordnen. Erst grob in hohen Hallen mit Maschinen und automatischen Rechen und später immer genauer. Den letzten Schliff geben Sortierer. "Qualitätsarbeiter", wie es bei Wurzer heißt. Sie haben einen harten Job. Denn sie verrichten Fließbandarbeit. 2,5 Stunden am Band, 20 Minuten Pause, dann weiter am Band und das acht Stunden am Tag. Und abends wissen sie hundertprozentig, was sie getan haben. Katharina zum Beispiel ist Mitte vierzig und macht den Job seit fünf Jahren. Und sie tut ihn gern, sagt sie. Am Ende liegt der Sauberkeitsgrad der einzelnen Wertstoff-Fraktionen bei mehr als 90 Prozent. Wer in der großen Halle mit Bändern und Sortieranlagen herumsteigt, der sollte fast schon Bergsteigererfahrung haben, denn es geht steile Metalltreppen hinauf und hinunter. Und schwindelfrei sollte man bei all dem Geklettere vielleicht auch sein.

Wieder an der frischen Luft und vorbei am riesigen Lager mit Wertstoff-Ballen, geht es nach gut vier Stunden Besichtigung in Richtung Bus - mit dem Wissen, was mit Starnbergs Biomüll und den Gelben Säcken passiert. Und weil man sich an so Vieles gewöhnt, sagt Landrat Roth, bevor er wieder in den Bus steigt: "Jetzt stinkt's gar nicht mehr, es riecht nur noch."

© SZ vom 24.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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