Freund der Flüchtlinge:Alle hören auf "Papa"

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Quelle: SZ-Grafik (Foto: N/A)

Johann Barth ist Hausmeister und Wirt im Bürgerstadl in Hechendorf. Seit Juni leben dort 42 junge Asylbewerber. Sie sehen in ihm einen väterlichen Freund, er kümmert sich um ein reibungsloses Miteinander

Von Christine Setzwein, Hechendorf

709 Asylbewerber hat der Landkreis Starnberg (Stand 8. Juli) bis jetzt aufgenommen. Jede Woche kommen durchschnittlich 33 dazu. Bis zum Ende des Jahres rechnet Landrat Karl Roth mit mehr als 1200 Flüchtlingen. Menschen aus Afghanistan, Eritrea, Nigeria, Senegal, Syrien oder Albanien. Die meisten von ihnen, 539, sind junge Männer, die aus Angst vor Krieg, Unterdrückung, Gewalt und Folter, aus Angst um ihr Leben ihre Heimat verlassen haben, eine abenteuerliche Flucht hinter sich haben, wochenlang Hunger und Durst litten, eingesperrt waren und geschlagen wurden.

"Wirtschaftsflüchtlinge", sagt Johann Barth sehr bestimmt, "sind das nicht." Der 62-Jährige steht inmitten einer Gruppe junger Eritreer und Albaner. "Papa" sagen sie zu ihm. 42 Asylbewerber leben seit knapp drei Wochen im Bürgerstadl Hechendorf. 35 junge Männer aus Eritrea, einer aus Somalia, sechs aus Albanien. Sie schlafen in Stockbetten, duschen in extra Containern. Es ist heiß an diesem Nachmittag. Vor dem Haus stehen mehrere Wäscheständer, einer der Männer hängt T-Shirts, Hosen und Handtücher auf. An diesem Nachmittag sind, wie jeden Nachmittag, Mitglieder des Helferkreises da, der Agenda Integration und Asyl in Seefeld. Oswald Gasser, Ute Dorschner und Brigitte Altenberger sehen nach dem Rechten.

Johann Barth ist Disponent in der Brauerei Andechs und nebenher seit 15 Jahren Hausmeister und Wirt im Bürgerstadl. Ein g'standenes Mannsbild. Auf seine Asylbewerber lässt er nichts kommen, an der Nase herumführen lässt er sich nicht. Kippen gehören in die Aschenbecher, der Müll in die Tonne, die Toiletten werden sauber hinterlassen - wenn es um Sauberkeit, Ordnung und anständiges Miteinander geht, kann Barth sehr hartnäckig sein. Richtig verboten sind nur das Rauchen im Haus und Alkohol. Ab 22 Uhr soll es zumindest so ruhig sein, dass die Nachbarn nicht gestört werden. Mit denen es im Übrigen keine Probleme gebe, sagt Barth.

Natürlich habe er auch einige sehr unerfreulich Anrufe bekommen, als feststand, dass sein Bürgerstadl Flüchtlinge beherbergen wird. Das bleibt in einem Dorf nicht aus. Ganz toll hätten aber die Ortsvereine reagiert, denen nun ein Treffpunkt fehlt. "Die haben das alle akzeptiert." Überhaupt überwiege das Positive, sagt Barth. Die Feuerwehr Tutzing etwa, die "auf die Minute genau" Betten und Kisten für die Flüchtlinge gebracht hat, die Feuerwehren Erling, Machtlfing und Frieding, die das Duschzelt betreuten, das die ersten Tage stand. Der Caterer, das Atrium in Seefeld, das so tolles Essen liefert - mit viel Chili, weil es die jungen Männer scharf mögen. Das Ärzteehepaar und der Zahnarzt, die die Flüchtlinge medizinisch betreuen, der Helferkreis, der Deutschunterricht anbietet und sich um Termine bei Behörden kümmert. 143 Euro Taschengeld bekommen die Flüchtlinge im Monat. Davon müssen sie MVV-Karten, Porto und Telefon zahlen. Handy und Internet sind die wichtigste Verbindung zur Heimat. Einer der Eritreer, erzählt Ute Dorschner, hat nun über Facebook seine Schwester wiedergefunden, die in den USA lebt. Das war eine Freude. Die Gemeinde Seefeld stellt nun kostenlos W-Lan zur Verfügung und demnächst auch eine Satellitenschüssel für den Fernsehempfang. Außerdem hat die Kommune einen Security-Dienst beauftragt. Nicht wegen der Asylbewerber, sondern zu ihrem Schutz.

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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