Hechendorf:58 Treppen bis zum Bahnsteig

Lesezeit: 2 min

Mit Kinderwagen, Rollator, Fahrrädern und schweren Koffern demonstrieren 80 Seefelder für einen barrierefreien Ausbau des Bahnhofs Hechendorf. Auf der Linie S8 ist es der einzige, der noch um Urzustand ist

Von Christine Setzwein, Hechendorf

Die Seefelder ließen sich nicht lange bitten. Mit Kinderwagen Rollstühlen, Rollatoren, Krücken, großen Koffern, Fahrrädern und Bollerwagen kamen am Donnerstagvormittag gut 80 Demonstranten zum S-Bahnhof Hechendorf, um der Forderung nach einem barrierefreien Ausbau Nachdruck zu verleihen. Bisher sei dieser "am Unverständnis und an der Sturheit der Bahn" gescheitert, sagte Gemeinderätin Johanna Senft (BVS), die zusammen mit Oswald Gasser (FDP) die Aktion "Flagge zeigen" organisiert hatte. Für die bayerische Behindertenbeauftragte, Irmgard Badura, hatte Bürgermeister Wolfram Gum (CSU) einen dringenden Appell an die Staatsregierung dabei. "Ich kann nichts versprechen", sagte die Nürnbergerin, "aber ich helfe mit, dass das Thema wieder auf die Tagesordnung kommt."

"Wieder" ist richtig. Denn die Forderung nach dem Ausbau ist eine "unglaublich lange Geschichte", sagte Gum. In den mittlerweile 26 Jahren seiner Amtszeit habe er weder bei der Bahn noch bei der Staatsregierung etwas bewegen können. Die Gemeinde habe vier Alternativen vorgelegt, sie würde sich sogar mit einer halben Million Euro am Ausbau beteiligen. Passiert ist nichts.

Die Station Hechendorf ist als einzige auf der S8-Linie noch im Urzustand. Die letzte Fahrgastzählung stammt aus dem Jahr 2011. Danach steigen in Hechendorf werktags zwischen 2500 und 2900 Menschen ein, aus und um. Gut 40 Prozent davon sind Schüler, "Tendenz steigend", sagte Gum. Für die Seefelder sei ihr S-Bahnhof die Anbindung an das Münchner Nahverkehrsnetz und den Flughafen. Die Gemeinde setze auf das "ökologische Modell Bahn", sagte der Bürgermeister. Sie stelle einen eigenen Bürgerbus zur Verfügung, sei in den Öffentlichen Nahverkehr integriert, habe am Bahnhof neue Abstellplätze für Fahrräder gebaut, zählte Gum auf. Für viele Ausflügler sei der Bahnhof Hechendorf Ausgangspunkt für Wanderungen nach Andechs, an den Wörthsee und Pilsensee. Er bediene die Besucher der Chirurgischen Klinik genauso wie die der örtlichen Altenheime. Aber sie alle, Mütter mit Kinderwagen, alte Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, und Touristen mit schwerem Gepäck müssen 58 Treppen überwinden, damit sie auf den Bahnsteig gelangen. Die derzeitige und zukünftige Altersstruktur der Gemeinde Seefeld mit ihren 7500 Einwohnern erfordere verstärkt einen barrierefreien Zugang, sagte Gum.

Freilich, das räumt er ein, sei der Ausbau nicht einfach. Für den Einbau eines Aufzugs sei der Mittelbahnsteig - in Hechendorf gibt es zwei Gleise - zu schmal. Er müsste verbreitert werden, was wiederum die Verlegung eines Gleises erfordere. Aber auf der einen Seite befindet sich das Bahnhofsgebäude, auf der anderen der Hang. "Das Ganze wäre schon eine erhebliche Baumaßnahme", sagte Gum. Und damit ein sehr teure.

Mit ihrer Demonstration möchten die Seefelder erreichen, dass sie wenigstens in das Programm "Bayern barrierefrei bis 2023" aufgenommen werden. "Lasst uns nicht mehr auf ewige Zeiten im Regen stehen", appellierte der Bürgermeister an Bahn und Regierung.

Ganz gut voran geht es dagegen mit dem Bahnhofsgebäude, das die Hechendorfer Familie Mühlfenzl gekauft hat. "Wir sind gerade dabei, alles anzuschauen und auszumessen", sagte Isabel Mühlfenzl, die ebenfalls zur Demo gekommen war. Im Bahnhof soll bald ein Restaurant mit italienischer Küche und ein Ladenlokal namens "Mercatino" eröffnen.

© SZ vom 08.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: