Gauting:Anpassung gefragt

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"Das Beste daraus machen": Felicitas Darschin, Edgar Reitz und Tobias Herrmann (von rechts). (Foto: Georgine Treybal)

Regisseure und Produzenten sprechen über die Zukunft des Kinos

Von Blanche Mamer, Gauting

Die Zeiten ändern sich, Kinos schließen, die Zuschauerzahlen nehmen rapide ab. Allein im vergangenen Jahr haben 18 Prozent weniger Menschen ein Kino besucht. Dabei sind allein 2016 nur in Europa mehr als 2000 Filme produziert worden, 47 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Doch wo werden sie gezeigt, sind sie überhaupt im Kino zu sehen? Bedeutet der Einbruch bei den Publikumszahlen auf lange Sicht, das Aus für die Kinos?

In einem Gespräch über die Zukunft des Kinos am Samstag im Gautinger Breitwand haben die Filmemacher Edgar Reitz, Felicitas Darschin, Tobias Hermann und Norbert Lechner, der Produzent Till Derenbach , der You Tuber Steve Heng und Kinochef Matthias Helwig als Moderator über die Aussichten der Lichtspielhäuser diskutiert und überlegt, was sich ändern muss. Reitz bekennt seine Liebe zu dem "magischen Ort Kino", zu dem gemeinsamen Erleben von Tränen und Lachen. Das Kino sei ein Kind des technischen Fortschritts, die Entwicklung des Kinematographen vor 120 Jahren habe zu einer eigenständigen Kulturform geführt. Jetzt würden die Umwälzungen in der Kommunikationstechnik zu ähnlichen Veränderungen führen. "Wir müssen uns damit auseinandersetzen und uns anpassen", fordert er.

Helwig steigt derweil mit einer provokanten Frage an die Regisseure ein. "Was glaubst du, warum muss dein Film im Kino gezeigt werden?" Jeder findet gute Argumente, warum dieser und jener Film im "magischen Raum" laufen sollte. Derenbach meint aber, dass nicht alle Filme die große Leinwand brauchen und manche keine Chance im Kino haben, dass sie also besser in Fernsehen laufen, auf DVD vermarktet werden sollen oder gleich auf den Internetplattformen.

Schnell wird klar, dass ein Teil der Problematik in der deutschen Filmförderung liegt. Die Förderrichtlinien müssen geändert werden. Am besten solle die Filmförderung in ihrer jetzigen Form ganz abgeschafft und dann total neu aufgebaut werden, regt Reitz an. Der 85-jährige Regisseur und Autor hatte vor 50 Jahren selbst mitgekämpft für die Gewährung von staatlichen Geldern. "Das war eine andere Zeit, damals war das richtig", sagt er. Die Förderung durchs Fernsehen müsse gestoppt werden. Heute müsse, wie beispielsweise in Amerika, auch das Marketing forciert und unterstützt werden. Für Steve Heng ist es keine Frage, dass die Filmemacher nicht nur aufs Kino schauen dürfen, sondern auch in den übrigen Medien präsent sein müssten. Die Jugend kommuniziere ganz anders; wer die junge Generation erreichen will, dürfe sich nicht davor scheuen, in den sozialen Medien präsent zu sein. Reitz stimmt ihm zu. "Hört auf, euch zu isolieren, arbeitet mit anderen Medien zusammen, organisiert gemeinsame Veranstaltungen mit Schauspielern und Musikern."

Das Kino sei nicht tot, darin sind sich alle soweit einig. Nur Helwig gibt zu bedenken, dass die kleinen Kinos zu viel Geld kosten. Er müsse die Säle unterhalten, die Filme zahlen, die Werbung finanzieren, seine Mitarbeiter entlohnen und selbst auch noch leben. Ja, es werde wohl weniger Kinos geben, stellt Reitz fest. Das Fünfseen-Filmfestival sei jedoch das beste Beispiel, wie man es machen müsse. Das Treffen mit Regisseuren und Schauspielern fördere die emotionale Bindung der Zuschauer.

Darschin fasst schließlich zusammen, man müsse den Zuschauer anders abholen, mehr miteinander sprechen. "Wir bekommen Youtube nicht mehr weg, also müssen wir, Filmemacher wie Kinobetreiber, das Beste daraus machen."

© SZ vom 17.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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