Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie:Naturschutz mit Lücken

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Das Ammerseeufer und die Leitenwälder sollen als Biotope erhalten bleiben. Nun gibt es erste konkrete Pläne, wie dies umgesetzt werden kann - allerdings sind diese noch recht unvollständig

Von Astrid Becker, Starnberg/Herrsching

Der Ammersee und seine Umgebung sind reich an Naturschätzen: Der Frauenschuh wächst dort ebenso wie Sumpfgladiolen. Seltene Tierarten wie der Alpenbock oder auch der Hirschkäfer leben hier - ebenso wie bedrohte Amphibien wie Springfrosch oder Gelbbauchunke. Es gibt Magerwiesen, Sümpfe, Buchenwälder, in denen Orchideen wachsen, und Weichholz-Auen. All dies war Grund, die Gegend in das europäische "Natura 2000"- Schutzprogramm aufzunehmen. Am Dienstag wurde nun der Entwurf des Managementplans für eines der dort ausgewiesenen Flora-Fauna-Habitate, das Ammerseeufer und die Leitenwälder, vorgestellt. Dabei wurden allerdings auch einige Mängel des Gesamtverfahrens offensichtlich.

Kleiner, spitzwarziger Froschlurch, der keine Windräder mag: Die Gelbbauchunke wurde von der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde zum Lurch des Jahres 2014 gekürt. (Foto: M. Kuehn/imago/blickwinkel)

Da sind zum Beispiel die Kalkfelsen mit Felsspaltenvegetation im Kiental - an sich ein schützenswerter Lebensraumtypus, wie er in Natura 2000 vorgegeben ist. Als Erhaltungsziel in diesem FFH-Gebiet wird das Kiental allerdings offiziell gar nicht aufgeführt - was sogar beim Herrschinger Biologen Burkhard Quinger, der den Entwurf des Managementplans für dieses Gebiet erarbeitet hat, auf Unverständnis stößt. Ebenso wenig wie die kalkreichen Niedermoore dieser Gegend oder seltene Arten wie die schmale Windelschnecke oder gar der Frauenschuh. Dass es das alles zusätzlich zu den vorgegebenen Lebensraumtypen wie Flachland-Mähwiesen, Erlen-Eschen-Wäldern oder Sumpfgladiolen dort noch gibt, hatte eine umfangreiche Kartierung ergeben. Sie sollte als Grundlage für den Managementplan dienen - und ergab so manche Ungereimtheiten.

Für viele bedrohte Tierarten ist der Ammersee mit seinen Ufern ein wichtiger Lebensraum. (Foto: Arlet Ulfers)

So wird beispielsweise die Bachmuschel aufgeführt, die jedoch in diesem Gebiet als "verschollen" gilt. Auch über den Hirschkäfer konnten keine Daten geliefert werden. Dafür wird der Springfrosch weder dort noch in einem der anderen FFH-Gebiet im Fünfseenland als erhaltenswert genannt. "Dabei kommt diese an sich sehr seltene und streng geschützte Art im Fünfseenland noch relativ häufig vor", sagt Ursula Madeker von der Unteren Naturschutzbehörde. Sie kann sich das nur so erklären, "dass ein anderer Landkreis in Bayern noch mehr Springfrösche hat als wir". Dafür werde aber die bayernweit noch häufiger vorkommende, aber dennoch geschützte Gelbbauchunke als erhaltenswert in dieser Gegend eingestuft.

Hinter dieser Aussage steckt das eigentliche Problem: Es wurde einst von der EU eine ganze Liste sogenannter defizitärer Lebensraumtypen erstellt. Die Gebiete, in denen diese Typen noch am häufigsten vorkommen, sollten unter besonderen Schutz gestellt und ganz konkret für sie Erhaltungsziele formuliert werden. Im Bereich von Ammerseeufer und Leitenwäldern soll nun unter anderem der See und seine Vegetation samt Schilf und Armleuchteralgen erhalten werden ebenso wie seine kalkreichen Sümpfe an seinen Ufern, die Fluren mit bemerkenswerten Orchideen oder die Buchenwälder. Was aus dem Springfrosch wird, ist allerdings ungewiss. Ebenso ist unklar, was aus dem kleinen Badestrand im Herrschinger Ortsteil Lochschwab wird. Auch er gehört in das FFH-Gebiet Ammerseeufer und Leitenwälder - zum Ärger des Vereins "Ammersee-Ostufer für Mensch und Natur". Dieser forderte bei der Vorstellung des Managementplans am Dienstag daher auch die Herausnahme dieses kleinen Fleckens - auch, weil er ihn als nicht so recht schützenswert einstufte.

Dem konnte der ortskundige Gutachter Quinger nur wenig entgegensetzten. Auch er meinte, dass es sich bei diesem Badeplatz "kaum um eine ökologisch wertvolle Fläche" handele. Von den "paar" Schwimmern dort sieht er zudem nur wenig Gefahr für die Natur ausgehend, wohl aber von Surfern und Kitern auf dem See. Es gebe aber in allen FFH-Gebieten immer auch "Nullflächen", sagt auch Madeker von der Unteren Naturschutzbehörde. Im Fall von Ammerseeufer und Leitenwäldern sind das jedoch recht wenige: "89 Prozent der Fläche dort ist wertvoll."

© SZ vom 14.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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