Filmfestival:Regeneration auf der Wiese

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Matthias Helwig, Chef des großen Kinoevents, beschreibt seinen Alltag während des Festivals

Oft werde ich gefragt, ob ich genug schlafe und wie ich das mache. Dabei ist das gar nicht die Frage, die sich mir stellt. Ich komme mit wenig Schlaf aus und ich schlafe (noch) sehr gut. Einfach hinlegen und die Augen zumachen. Manchmal auch, wenn ich die Müdigkeit kommen spüre, einfach anhalten und sich hinlegen. So wie in der Hauptzeit der Festivalvorbereitung kurz vor Seefeld. Ich bin in einen Feldweg abgebogen und habe mich einfach 15 Minuten in die Wiese gelegt. Das reicht mir, um mich zu regenerieren.

Während des Festivals ist es zwar anstrengend, aber die Belastungen sind eindeutig stärker in den vielen Wochen der Vorbereitung. Jede Vorstellung und jeder Film braucht gesonderte Betreuung. Bei 330 Veranstaltungen geht das an die Grenzen der Belastbarkeit von mir und meinem wunderbaren Team. Gestresstheit bewirkt Emotionen, die hochkochen und irgendwie wieder eingeordnet werden müssen. Da mir dieses Jahr durch den Bau des Kinos Breitwand in Gauting wesentlich weniger Zeit zur Verfügung stand, ist vieles nicht so gelungen, wie ich es mir dachte. So stand ich oft abends in meiner Küche und wusste nicht, wie ich alles schaffen sollte, warum ich das alles mir und meinem Team zumutete und wie ich jenes oder dieses konkret entscheiden sollte. Ich dachte an einen Ausflug mit meinem Freund auf der Tiroler Ache mit einem Kajak. Ich hatte das Gefährt noch nie benutzt, und er wies auf die vielen bewegten Wellen und sagte, dass ich versuchen solle, auf ihnen zu bleiben, Herr der Wellen zu sein. "Du darfst nicht mir dir spielen lassen", sagte er. Weder bei der Kajakfahrt noch in den vergangenen Wochen ist es mir gelungen. Aber Fehler passieren, und wenn man das weiß und zugibt, dann sind sie nicht so schwer. In meiner Küche steht ein Bild meiner fünf Kinder, auf einer Bergtour aufgenommen. Ein Blick auf ihre lachenden Gesichter, auf ihr Leben, das ich begleitet habe und noch begleite - dann weiß ich wieder, was wirklich wichtig ist, schenke mir ein Glas Rotwein ein, mache mir noch für den nächsten Tag ein paar Vormerkungen in mein schwarzes Notizbuch und lasse den Tag ausklingen.

Diese Anmerkungen begleiten mich auch, wenn ich das irgendwo hingelegte Büchlein wiederfinde, während der Festivaltage. Den Vormittag verbringe ich im Büro, werte Zahlen und Ereignisse des Vortages aus und versuche, die kurzfristig entstandenen Probleme der kommenden Stunden und Tage zu lösen. Wie jedes Jahr werde ich auch heuer versuchen, um 16 Uhr im Kino Breitwand Starnberg zu sein, um mich mit Gästen, dem Team oder Publikum zu treffen. Danach beginnt das, wofür wir alle gearbeitet haben: mit Filmschaffenden, also Künstlern, über Filme zu sprechen. Es sind sensible Menschen, die ihre eigene Sicht auf die Welt haben, diese veröffentlichen und damit ungeschützt der Welt gegenübertreten. Das macht sie verletzbar und scheu. Das sollte man wissen, wenn man ihnen begegnet.

Doris Dörrie sagte auf unserer Pressekonferenz in München, dass sie gerne auf Festivals gehe, da sich Regisseure dort beschützt fühlten. Das sehe ich als meine Aufgabe während der Festivaltage an. Ich mache sie gerne und ich glaube, wenn man seine Arbeit gerne macht, dann trägt sie und bereitet einem keine Mühe. Ob sie mir gelingt, wird man sehen. Ich wünsche es mir, meinen Gästen und meinem Publikum.

© SZ vom 28.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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