Festival in Schloss Kempfenhausen:Rätsel im Spiegelsaal

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Märchenhaft: Manuela Hartels Installation "Appearance/desappearance" mit der Performerin Maren Montauk. (Foto: Arlet Ulfers)

Die vierte Ausgabe von 'Echolot' bietet eine mystische Installation, degradiert Neue Musik aber weitgehend zur Überleitung zwischen Werken von Dowland, Bach und Heinrich Isaac

Von Reinhard Palmer, Berg

Neue E-Musik hat es schwer. Das Publikum folgt ihr seit Jahrzehnten nicht mehr, Vorurteile halten sich hartnäckig. Und die Ästhetik der zuhauf konsumierten Unterhaltungsmusik hat die Ernste Musik in die Enge getrieben. Umso wichtiger wäre es, die wenigen interessierten Zuhörer bei der Hand zu nehmen und der neuen Musik mit klaren Konzepten selbstverständliche Präsenz zu verschaffen.

Das Echolot-Festival im Schloss Kempfenhausen sieht das offenbar anders. Sein künstlerischer Leiter Gunter Pretzel, Bratscher bei den Münchner Philharmonikern, entwarf bei der Eröffnung sein Grundgerüst fürs Programm mit recht kryptischen Gedankenspielen. Es fiel schwer, den Ausführungen Konkretes zu entnehmen. "BeyderZeit - Neue Musik im Spiegel des Barock" nannte er diese vierte Ausgabe des Festivals, die Neue Musik aber weitgehend aussparte oder zu schrägen Überleitungen zwischen den vielen Beiträgen Alter Musik degradierte. Und was gespielt wurde, erfuhr man nur sporadisch und rudimentär. Manchmal gab es hinterher eine mündliche Aufzählung von Komponisten und Dichtern, deren Werke zuvor zu hören waren. Aus der Erinnerung die Stücke oder Gedichte zuzuordnen, ist aber wenig erhellend. Ja, die barocke Zeit hatte ihre Schattenseiten. Muss man dann die Zuhörer auch im Dunkeln lassen?

Dabei hatten die Darbietungen sehr wohl Qualität, sowohl von der Musikliteratur als auch von der Ausführung her. Mit dem Trio Coriolis aus den Reihen der BR-Symphoniker war auch ein Ensemble in den Rittersaal eingeladen, das mit spannenden Programmen Neuer Musik in den 15 Jahren seines Bestehens immer wieder für überraschende Einblicke sorgte. Die Überleitung von Pretzels Soloauftritt für Bratsche und sinnierende Rezitation von Gedichten mit vier charakterstarken, sehr expressiven, aber eher aphoristisch kurzen Stücken von Johannes X. Schachtner gelang mit einem atmosphärischen Werk der in Österreich lebenden polnischen Komponistin Joanna Wozny. Ihr "Surfacing" von 2008 erzeugte mit feinsinnig-geräuschhaften Klängen viel Spannung. Sätze von Heinrich Isaac, einem Renaissancekomponisten, wichen vom barocken Konzept ab, korrespondierten aber weit besser mit der "Zwölftondauermusik" des ukrainischen Komponisten Jefim Golyscheff (1897 bis 1970), einem Bahnbrecher der Dodekaphonie, dessen angemessene Würdigung noch aussteht. Kein anderer Komponist verstand es, die Zwölftonmusik so differenziert und vielfältig zu nutzen wie er. Davon überzeugte das Trio Coriolis eindrücklich.

Die Klangqualitäten von Zither und Akkordeon sind von den Komponisten der Gegenwart längst entdeckt worden. Koryphäen wie Georg Glasl (Zither) und das Akkordeon-Duo Jeux d'anches hätten da sicher Akzente setzen können. Stattdessen bekam das Publikum Dowland und Bach zum besinnlichen Ausklang serviert, mit wohl improvisierten Überleitungen verziert.

Dabei fing dieser zweite Abend vielversprechend an. Die Multiinstrumentalisten Matthias Schriefl (Blasinstrumente von Trompete bis Alphorn sowie Akkordeon) und Simon Rummel (Orgel, Violine, Melodika) spielten und sangen sich durch die europäische Musikgeschichte an der Peripherie zum Jazz. Es folgte dann doch noch Neue Musik als Teil einer märchenhaft-mystischen Installation von Manuela Hartel. In "Appearance/desappearance" belebte sie die Schlossgeister mit Musik von David Schwarz und Maren Montauk, die auch als Sängerin und Performerin engelsgleich Licht in die abgedunkelten Räume brachte. Nur Tänzerin Rosalie Wanka agierte erleuchtet - live als Teil einer Projektion - in einem Spiegelsaal. Es war ein Mysterienspiel, das durch projektions- und kulisseninszenierte Räume führte, begleitet von Esther Schöpfs unentwegt einen Ton spielenden Violinschülern, die als Schlossgeister schon mal barocke Choräle einflochten.

Die Atmosphäre blieb auch in der neu komponierten Musik durchgehend meditativ, geprägt von einer fast schon filmmusikalischen Harmonik, die vor allem von den so auch komponierten mikrotonalen Abweichungen vom Grundton der großartig agierenden Kinder in Spannung gehalten wurde.

Barocken Bezug erhielt eine projizierte Porträtgalerie. Darüber eingeblendete gefilmte Gesichter der Gegenwart hauchten den Bildern mit ihrem Augenzwinkern Leben ein. Wie nun das alles im Gesamtkonzept aufgehen sollte, blieb bis zum Schluss ein Rätsel.

© SZ vom 18.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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