Fall Ursula Herrmann:Suche nach der Wahrheit

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Landgericht Augsburg rollt den Fall im Zivilverfahren neu auf

Das Landgericht Augsburg steigt in einem Zivilverfahren immer tiefer in die Untersuchung des umstrittenen Falls Ursula Herrmann ein. In dem Schmerzensgeldprozess um den gewaltsamen Tod der Zehnjährigen im Jahr 1981 will die Kammer nun ein umstrittenes Gutachten nochmals unter die Lupe nehmen. Der Richter ordnete am Donnerstag an, dass dafür am 21. Juni eine Sachverständige des Bayerischen Landeskriminalamtes zu einem Tonbandgerät des verurteilten Kidnappers angehört werden soll.

In dem neuen Prozess geht es um eine Schmerzensgeldforderung von Ursulas Bruder Michael Herrmann, der von dem im Gefängnis sitzenden Täter 20 000 Euro verlangt. Der 67 Jahre alte Häftling bestreitet bis heute, für den Tod der Schülerin verantwortlich zu sein. Das Tonbandgerät, das er bei den Erpresseranrufen abgespielt haben soll, war eines der wichtigsten Indizien in dem Strafprozess. Der Fall Ursula Herrmann zählt zu den spektakulärsten Verbrechen der Bundesrepublik. Die Zehnjährige aus Eching am Ammersee war am 15. September 1981 gegen halb acht Uhr mit dem Fahrrad auf dem Heimweg von ihrem Onkel in Schondorf am Ammersee, als sie entführt und in ein präpariertes Versteck, einer in einem Waldstück namens "Weingarten" zwischen Schondorf und Eching vergrabenen Kiste, gebracht wurde. Das Mädchen erstickte.

Die Kripo konnte den Fall lange nicht lösen. Erst 2008 nahm sie den heute 67-Jährigen fest. Er wurde zwei Jahre später in Augsburg wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge zu lebenslanger Haft verurteilt, obwohl es viele Ungereimtheiten bei den Ermittlungen gab. Verteidiger Walter Rubach hofft deshalb, durch den Schmerzensgeldprozess genügend Hinweise auf Fehler in dem Strafprozess sammeln zu können. Er strebt ein Wiederaufnahmeverfahren an, damit dann auch eine Strafkammer den Fall noch einmal aufrollen muss. Rubach will insbesondere das frühere Tonbandgutachten zerpflücken. "Da wird sich entscheiden, ob dieses zentrale Indiz noch eine Bedeutung hat", sagte der Anwalt.

Die Aussagen der Sachverständigen, die noch einmal vorgeladen wird, waren maßgeblich für die Verurteilung des 67-Jährigen. Auch Kläger Michael Herrmann hatte häufig Zweifel an dem Urteil geäußert, insbesondere die Alleintäterschaft des 67-Jährigen hatte er angezweifelt. Ihm geht es nun in dem Zivilprozess darum, Sicherheit zu dem Tatablauf zu erhalten. "Wir sind auf der Suche nach der Wahrheit", meinte sein Rechtsanwalt Joachim Feller. Herrmann kritisierte die lange Dauer des seit 2013 laufenden Zivilverfahrens. Man könnte den Eindruck haben, der Prozess werde absichtlich verzögert. "Aber ich werde nicht lockerlassen", sagte er.

© SZ vom 09.02.2018 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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