Ehrentag:Die bayerische Intrige

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Johano Strasser ist nach vielen Jahren am Starnberger See noch immer fasziniert vom Alpenpanorama bei Föhn. Noch wichtiger als die Berge sind ihm aber seine Bücher "im Rücken", wie er sagt. (Foto: Georgine Treybal)

Ein "Zufall" verschlägt den bekannten Politikwissenschaftler und Schriftsteller Johano Strasser 1987 von Berlin an den Starnberger See. Am Mittwoch feiert der Wahl-Berger nun seinen 80. Geburtstag

Von Katja Sebald, Berg

Das Alpenpanorama bei Föhnlage und die dramatischen Sonnenuntergänge über dem Starnberger See beeindrucken ihn noch immer. "Aber noch wichtiger als der Blick auf die Berge und den See sind mir die Bücher in meinem Rücken", sagt Johano Strasser. Am 1. Mai feiert der Politikwissenschaftler und Schriftsteller seinen 80. Geburtstag, seit fast drei Jahrzehnten lebt und arbeitet er in der Gemeinde Berg.

Der Umzug von Berlin an den Starnberger See nach Berg sei 1987 ein von seiner Frau, der Schriftstellerin Franziska Sperr, "arrangierter Zufall" gewesen, erzählt Strasser. Eigentlich war das Paar auf der Suche nach einer neuen Wohnung in Berlin. Sperr, die am Starnberger See aufgewachsen ist, blätterte "nur so" in der Süddeutschen Zeitung. Sie wollte sich anschauen, wie man eine Anzeige für ein Wohnungsgesuch formuliert. Dort stieß sie, so erzählt es sich die Familie noch heute, auf eine falsch platzierte Annonce, in der ein Haus in Berg zur Miete angeboten wurde. Bereut haben Strasser und seine Frau den Umzug nie, die beiden Kinder wuchsen in Assenhausen "wie in Bullerbü" auf, erinnert er sich: "Morgens versammelten sich alle Kinder aus dem Dorf in unserer Küche, um dann gemeinsam zum Bus zu gehen."

Seit die Kinder erwachsen sind, ist das auf allen Etagen mit Büchern dicht bestückte alte Haus zum stillen Schreibort für das Schriftstellerpaar geworden. Während Günter Grass, mit dem die Strassers eng befreundet waren, den Umzug noch Jahre später als "bayerische Intrige" bezeichnete, vermisst Johano Strasser das Leben in der Großstadt kaum mehr: "Wir sind hier mittlerweile von ebenso interessanten Menschen umgeben, wie in den Berliner Jahren." Das Starnberger Kulturforum der SPD hat Strasser mit gegründet, seine Frau saß jahrelang im Vorstand. Dem Berger Kulturverein ist er ebenso eng verbunden wie dem SV Söcking, wo er seit vielen Jahren aktiv Tischtennis spielt, zeitweise sogar in der ersten Mannschaft.

Im Haus der Strassers versammeln sich mehrmals im Jahr bekannte Schriftsteller aus ganz Deutschland, um sich aus ihren noch unveröffentlichten Werken vorzulesen. Aus dieser Lesegruppe entstand das VHS-Seminar "Literatur am See", im kommenden Jahr wird es zum 20. Mal in Haus Buchenried stattfinden. Strasser gestaltet es mit seiner Frau und mit befreundeten Autoren, legendär ist vor allem die abendliche Runde "Wein, Wort und Gesang". Manche der Teilnehmer sind von Anfang an dabei, sogar ein literaturbegeistertes Paar hat sich dort gefunden. Auch in Leoni, davon ist Strasser überzeugt, spielt die Landschaft und die Umgebung des Hauses eine große Rolle für die Literatur und das Gelingen des Seminars.

Er selbst ist in Holland und später in Norddeutschland aufgewachsen, die riesigen "Klötze" der Berge können ihn auch nach vielen Jahren in Bayern noch in Erstaunen versetzen. "Anfangs war ich völlig immun gegen den Föhn", erinnert er sich: "Aber jetzt spüre ich ihn auch - wahrscheinlich beginne ich, mich zu assimilieren." Auf das Alter will er seine Wetterfühligkeit jedenfalls nicht schieben: "Ich habe eine unverwüstliche Gesundheit." Und es sei doch vor allem ein großes Privileg, "so alt" werden zu dürfen, überhaupt bringe das Alter viele Vorteile mit sich: "Man hat viel Erfahrung und ein klares Urteil, außerdem ist man nicht mehr so fürchterlich aufgeregt, wenn die Dinge mal anders laufen als erwartet." Mit Humor hat er auch eine Einladung der Gemeinde Berg zu einem "Seniorennachmittag" genommen: "Ich hätte dort eine Maß Freibier und ein halbes Hendl bekommen." Seinen runden Geburtstag wird er trotzdem nicht unterm Maibaum feiern, sondern mit der Familie in Frankreich.

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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