Brauereilandschaft:Genuss im Glas

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Die Brauereilandschaft verändert sich, auch im Fünfseenland. Zum Traditionsbetrieb gesellen sich Craft-Beer-Manufakturen mit neuen Sorten. Eine Verkostung

Von Astrid Becker und Christine Setzwein

Zwölf Biere aus der Region rund um München werden an so einem Abend in Geisenbrunn schon mal verkostet. Natürlich in ganz kleinen Gläsern. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Craftbiere liegen im Trend. Wer gerne Bier trinkt, schenkt sich nicht mehr nur ein Helles, Dunkles oder Weißbier ein, sondern auch schon mal ein Pale Ale, ein Stout oder ein Sauerbier. Auch im Fünfseenland sind diese Bierstile angekommen. Was sich auf dem Markt tut, ist bei einer Bierverkostung in der Alten Brennerei Geisenbrunn mit Experten zu erfahren.

Bier im Wandel

Wenn in den vergangenen Jahren rund um München die Sprache auf Bier gekommen ist, ging es meist nur um Produkte der bekannten Großbrauereien der Landeshauptstadt. Ihr Bierausstoß war und ist hoch, ihre Präsenz in Wirtshäusern oder Getränkemärkten allgegenwärtig. Im Fünfseenland schmückte lange Zeit recht einsam die Klosterbrauerei Andechs den Bierhimmel. Nur selten tauchte ein anderes Bier auf: zum Beispiel Helles oder Schwarzbier vom Mühlfeldbräu in Herrsching. Doch sie sind längst Geschichte. Dennoch hat sich die hiesige Bierlandschaft mittlerweile gehörig erweitert: Rund um München und auch im Fünfseenland gibt es inzwischen kleine Craft-Beer-Brauer, die mit ihren etwas anderen Bierstilen Aufsehen erregen. Indian Pale Ales, Pale Ales, Amber Ales, Stouts, Porters oder dergleichen werden die Biersorten genannt, auf die sie sich spezialisiert haben. Ihr Markenzeichen sind ihre Etiketten, recht bunt wirken sie oft wie handgemalt. Die Biere selbst werden, anders als in Altbayern bisher üblich, meist in 0,33-Liter-Flaschen abgefüllt, in unterschiedlichen, oft etwas bauchigen Gläsern kredenzt und nur in kleineren Mengen konsumiert - was auch an ihrem höheren Preis liegen kann.

Vielfalt und Reinheitsgebot

Der Trend zum Craft Beer - also zu Bieren, die aus kleinen, unabhängigen Brauereien kommen und traditionell handwerklich hergestellt werden - stammt aus den USA und reicht gut 30 Jahre zurück. Er entstand als eine Art Gegenbewegung zu den damals rechts ausdrucksarmen und langweiligen Einheitsbieren, die zu dieser Zeit den dortigen Markt beherrschten. Also fingen viele Hobbybrauer an, selbst Bier in ihrer Garage herzustellen. Mit großem Erfolg, Amerika kennt mittlerweile gut 140 verschiedene Stile, ist in einschlägigen Veröffentlichungen zu diesem Thema nachzulesen. In Deutschland wird diese Vielfalt meist durch das Reinheitsgebot begrenzt, das nur Hopfen, Malz, Hefe und Wasser als Zutaten zulässt. Dennoch experimentieren viele dieser Mikrobrauer mit Orangenschalen, Kakao oder ähnlichen Aromen - "Bier" dürfen sie diese Getränke dann allerdings nicht nennen. Deshalb setzen die meisten lieber auf Vielfalt bei den erlaubten Ingredienzien. Auf Aromahopfensorten beispielsweise, die ihren Bieren ungewöhnlichere Geschmacksnoten, etwa nach Stachelbeeren, Maracuja, Gras oder Zitrusfrüchten verleihen. Nicht jeder dieser Brauer besitzt eine eigene Brauerei, wie der Pilot Mathias Lottes, der sich mit "Braukraft" in der Alten Brennerei in Geisenbrunn einen Herzenswunsch erfüllte und dort nun diverse Craftbiere herstellt. Übrigens nicht allein: Auch Ray Seeliger von "Wörthseer Craft-Biere" ist mittlerweile bei ihm untergeschlüpft. Er ist also ein "Gipsy", wie man Brauer ohne Brauerei in der Craft-Beer-Szene nennt.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Wie beim Wein können Experten wie der Gilchinger Markus Sailer...

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

...einzelne Aromen aus Duft und Geschmack von Bier genau benennen.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Was das über den jeweiligen Bierstil aussagt, verrät er bei seinen Verkostungen.

Die Biernase

Er kennt nahezu alle Bierstile der Welt und erkennt viele von ihnen auch blind: der Gilchinger Markus Sailer, der 2015 zum besten aller deutschen Biersommeliere gekürt wurde. Sein Handwerk hat der promovierte Chemiker in der weltweit bekannten Brauerakademie Doemens in Gräfelfing gelernt. Sein Job, wenn es um Bier geht, ist es unter anderem, die Aromen des Bieres am Geruch und im Geschmack zu beschreiben - und auch diese sind so vielfältig, wie es auch beim Wein der Fall ist. So können die Biere der Welt, aber auch die des Fünfseenlands, würzige, vegetative und natürlich auch fruchtige Noten aufweisen: Vanille oder schwarzer Pfeffer, Gras oder Getreide, Quitte oder Banane. Letzteres ist beispielsweise ein typisches Erkennungszeichen für Weißbier, wie er verrät. Wenn es um die Zukunft der Biervielfalt im Landkreis geht oder gar um den Craft-Beer-Trend dieser Zeit, sieht er denn auch Parallelen zum Wein, der "zum Genussmittel herangereift" sei, eine positive Entwicklung, wie er findet, die nur über die Rückbesinnung auf Qualität erreicht werden könne. Auf dem Weg hin zum Genussmittel befinde sich nun das Bier, für das im übrigen dasselbe gilt wie für Wein: "Schon beim Glas fängt das an", sagt Sailer: "Das darf nie zu voll sein, sonst kann man die Aromen nicht aufnehmen." Wissen wie dieses kann man übrigens von Sailer lernen: Mit seiner Frau Gabi, ebenfalls Biersommeliere, hat er dafür einen eigenen Raum in der Alten Brennerei angemietet.

Wolfgang Stempfl will fürs Bier begeistern. (Foto: Arlet Ulfers)

Der Bierpapst

"Helles Gelb, kräftige Hefetrübung, kräftige Fruchtaromen, Banane, Birne, nussig, Spuren von Gewürznelke und Muskat, ausgewogener Körper, kaum bitter, sehr spritzig" - Wolfgang Stempfl weiß alles übers Bier. Mehr als 30 Jahre war er für die Doemens-Brauakademie in Gräfelfing tätig, zuletzt 16 Jahre als Geschäftsleiter. Das Bier aus der Schmuddelecke herauszuholen, es vom reinen Grundnahrungsmittel und Durstlöscher zum hochwertigen Genussprodukt zu entwickeln, das war seine Vision und sein Ziel. Stempfl hat die Ausbildung zum Biersommelier ins Leben gerufen und salonfähig gemacht, auch wenn er anfangs dafür von vielen Brauern beschimpft wurde. Seit er in Rente ist, steht er den Doemensianern beratend zur Seite, ist als Trainer des von ihm gegründeten Instituts of Masters of Beer in der ganzen Welt unterwegs, tritt bei Beer-Battles und Verkostungen an, hält Seminare und Vorträge.

© SZ vom 03.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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