Ausstellung in Berg:Weltbühne im Starenkasten

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Bei den Berger Ateliertagen zeigen die ausstellenden Künstler ganz unterschiedliche Blickwinkel auf das Thema "Ordnung". Manche haben einfach ihre Ateliers aufgeräumt

Von Katja Sebald, Berg/Icking

Der eine hat einfach sein Atelier aufgeräumt, der andere hat die ganze Welt neu geordnet. Die Frage der Bedienung, ob denn alles in Ordnung sei, war ausschlaggebend für das Thema der Ateliertage in Berg und Icking, die in diesem Jahr zum 31. Mal stattfinden. Trotz Wiesn-Auftakts und nur mittelprächtigen Wetters waren am ersten Wochenende zahlreiche Besucher zum "Kontrollrundgang" durch die 14 geöffneten Ateliers unterwegs; um dann wohl einhellig feststellen zu können: Zwischen Berg und Icking ist in Sachen Kunst alles in Ordnung.

Die Fragestellung war für viele der beteiligten Künstler ein Anlass, gesellschaftspolitische und vor allem weltpolitische Entwicklungen kritisch zu hinterfragen, zugleich aber war es ganz offensichtlich auch eine Anregung zum Spielen. Und so kommt es, dass nach den großen Betroffenheitskunst-Events in Kassel und Venedig diese Ateliertage so poetisch und heiter wie kaum jemals zuvor sind, zugleich aber ein breit gefächertes und immer wieder höchst qualitätvolles Spektrum bieten. Schon die Einladung, für die Andreas Huber die beteiligten Künstler in ein Regal eingeordnet hat, war ungewöhnlich genug.

Im Oberstübchen von Juschi Bannaskis Atelier in Aufkirchen hat nun Roman Woerndl eine "Welt-Bühne" eingerichtet, kaum größer als ein Starenkasten. Hier gestattet er den einen oder anderen durchaus kuriosen Blick "Hinter den Vorhang", so der Titel dieser Arbeit, die Video, Performance und technische Spielerei verbindet. Woerndl lässt "Die glorreichen Vier" der Weltpolitik posen und zündeln, was das Zeug hält.

Auch Juschi Bannaski wirft einen Blick auf das Weltgeschehen, wenn sie in einem umwerfend schönen roten Hinterglas-Kosmos die winzigen Figuren, die neuerdings auf höchst bezaubernde Weise ihre Bilder bevölkern, irritierend unsinnige Dinge tun lässt: Da gibt es die fleißige Buchstabenstrickerin, die an einer kleinen Wolke schaukelt, und die Ozeanputzfrau, die den Dreck der Meere in ein riesiges Fischmaul kehrt, es gibt Jongleure und Turner, Monteure und Späher, jeder von ihnen wurstelt für sich herum und hat das große Ganze völlig aus den Augen verloren. Außerdem zeigt Bannaski eine ganze Reihe wundersam schöner "Reise-Blätter".

„Furiositäten“ nennt Juschi Bannaski das Hinterglasbild. (Foto: Georgine Treybal)

Nicht nur mit dem diesjährigen Motto hat Hans Panschar in Allmannshausen gespielt: Mit den aus rosaroten Ohropax-Kügelchen geschnitzten Kopfbüsten, für deren Betrachtung man eine Lupe braucht, ist bei ihm alles in "Ohrdnung". Außerdem zeigt er neuere und ältere Arbeiten aus Holz, Beton und nun auch auf und aus Papier. Auch Lucie Plaschka auf der Maxhöhe bietet in ihrer Garage einen Rückblick auf das, was in den letzten Jahren entstanden ist, während sie in ihrem Atelier zeigt, wozu sie das diesjährige Thema inspiriert hat: Papierarbeiten, die nicht nur Ordnung, sondern auch Chaos zulassen. Die perfekte Ordnung, so sagt sie, sei in östlichen Kulturen ein Privileg Gottes. Ein bisschen Unordnung hingegen sei "menschlich".

Dem Reiz der Unordnung in der Ordnung hat auch der Fotograf Andreas Huber nachgespürt, der in seinem Studio in Aufhausen eine Reihe von Architekturaufnahmen zeigt, die einerseits Struktur und Linie thematisieren, andererseits aber den Betrachter auf subtile Art in die Irre führen. Im "Atelier auf der Lüften" bei Dazze Kammerl in Farchach ist ohnehin alles in Ordnung, daran kann auch der lebensgroße blauhäutige Kerl im Badeanzug nichts ändern, der dort kürzlich eingezogen ist. "He came in through my bathroom window", heißt die großformatige Grafik, die mit ihren geheimnisvollen Schriftzeichen beinahe märchenhaft anmutet. "Ich bin immer ordentlich", sagt der Künstler schmunzelnd - da wird der neue Mitbewohner sich wohl anpassen müssen.

Ordnung geschaffen hat auch Gerd Jäger: Die große Esche, die in seinem Garten gefällt werden musste, hat er umgehend in neue Holzskulpturen verwandelt. Sie sind minimalistisch und schön wie die vielen anderen, die dort bereits für eine ganz eigene Art von Ordnung und Ruhe sorgen. Während er selbst aus Käferholz und Sturmholz noch Kunst zu schaffen weiß, vergisst der engagierte Umweltschützer freilich nicht, mit einem drastischen Plakat auf den Zustand der Wälder hinzuweisen, der alles andere als "in Ordnung" ist.

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(Foto: Georgine Treybal)

Gerd Jägers "Fichtenwurzel";

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(Foto: Georgine Treybal)

"Alles in Ordnung" von Juschi Bannaski;

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(Foto: Georgine Treybal)

"Jede Ordnung hat einen Fehler" von Lucie Plaschka;

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(Foto: Georgine Treybal)

"Vertragt euch!" von Roman Woerndl;

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(Foto: Georgine Treybal)

und Hans Panschar mit seinen Objekten.

Eine beinahe paradiesische Ordnung scheint in Irschenhausen zu herrschen: Sophia Hössle zeigt in ihrem hübschen Atelierhäuschen filigrane Tonreliefs von Getreideähren und Holzobjekte, die Moosen, Baumpilzen und Flechten nachempfunden sind. Ihr Mann Gabriel Baumüller gibt mit einem Blütenbrunnen und kinetischen Gartenobjekten einen Einblick in seine aktuellen Auftragsarbeiten. Eine wunderbare Unordnung hingegen gibt es bei Gerdi Herz, ebenfalls in Irschenhausen, zu bewundern: Bei ihr krabbeln riesenhafte Käfer über den Tisch, ihre fantasievollen Fabelwesen und geheimnisvollen Tiergestalten aus Keramik und Altmetall drängen sich rund um den Gartenteich, auf der Terrasse, auf Fenstersimsen, Balkongeländern, an den Wänden und auf Regalen. Ebenfalls in Irschenhausen sind die Ateliers von Petra Jakob und Sebastian Heinsdorff geöffnet, in Hohenschäftlarn kann man Margitta Wiederholt besuchen. Christiane Leimkleff stellt diesmal als Gast bei Gerd Jäger aus, Hannelore Jüterbock zeigt in Allmannshausen 260 Bilder aus 50 Jahren, in Ammerland öffnet Ernst Grünwald sein Atelier und in Wolfratshausen stellen Birgit Behrends-Wöhrl und Teresa Erhart aus.

Am kommenden Wochenende sind die Ateliers noch einmal am Samstag von 14 bis 19 Uhr und am Sonntag von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Weitere Informationen unter www.atelier-tage.de.

© SZ vom 18.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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