Alpaka-Farm am Starnberger See:Die tierischsten Frisuren weit und breit

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Drei Dutzend Alpakas leben im Berger Ortsteil Mörlbach. Die Züchter-Familie bietet sie für Wanderungen an und vermarktet die Wolle. Geschlachtet werden die Tiere nicht

Von Sabine Bader, Berg

Ihre Haarpracht ist unwiderstehlich: Die eine sieht aus wie ein echte Beatle-Dame, die andere trägt einen Afrolook und die dritte wirkt, als käme sie frisch vom Hairstylisten. Und dann die großen schwarzen Knopfaugen. Die Alpakas auf den Weiden der Familie Darchinger in Mörlbach sind eine Attraktion, auch wenn sie derzeit ihren Stall wegen des Schnees nur sehr widerwillig verlassen.

Seit 15 Jahren züchten die Eheleute Veronika und Johann Darchinger Alpakas. Ihre Herde ist mittlerweile auf 34 Tiere angewachsen, 26 Stuten und acht Hengste. Bevor sich die Eheleute zum Züchten entschlossen, haben sie sich eine Menge Fachwissen angeeignet. 2004 begannen sie dann mit drei Stuten, eine davon trächtig, die sie bei einem Züchter in Südtirol erwarben. Sich neben den eigenen zwei Reitpferden und der Kaninchenzucht ihrer beiden Töchter weitere Tiere anzuschaffen, lag für sie nahe, denn Johann Darchinger kommt aus der Landwirtschaft und er ist gelernter Landwirt. Der elterliche Hof liegt gleich gegenüber. Seine Frau Veronika stammt zwar selbst nicht aus der Landwirtschaft, sie ist in Geretsried aufgewachsen, aber sie hat Pferdewirtin mit Schwerpunkt Reiten gelernt und eine Marketingausbildung gemacht. Das kommt ihr heute bei der Vermarktung der Alpaka-Produkte zugute. Sie interessierte sich auch für die Arbeit im Zuchtverband, der damals noch sehr klein war. Sie übersetzte bei Tagungen mit ausländischen Gästen. Drei Jahre später war sie selbst Präsidentin des Verbands. "Das war eine spannende Zeit", erinnert sie sich. "Vor allem hab' ich dadurch eine steile Lernkurve hingelegt." Heute macht ihr wissensmäßig über die Tiere so leicht keiner was vor.

Wer sich bei ihr zur Alpakawanderung anmeldet, der bekommt auf all seine Fragen eine Antwort. Das Wandern durch die Landschaft mit einem Alpaka am Zügel ist komplett anders, als das Spazierengehen mit einem Hund. "Das macht viel mit den Leuten", glaubt sie. Denn Alpakas sind sehr aufmerksame Tiere. Sie registrieren alles, jede Veränderung - sogar, wenn 100 Meter weiter eine Katze läuft oder ein Vogel auffliegt. "Alpakas haben auch Zeit." Kinder und ältere Leute können bei ihrem Tempo gut mithalten. Zum Wandern nehmen die Darchingers die Hengste. Sie sind ans Halfter gewöhnt. Auch wenn Alpakas keine Streicheltiere sind und immer gerne ein wenig Abstand halten, macht es ihnen nichts aus, wenn ihnen jemand ins Fell greift.

Etwas Zeit muss man zum Wandern mit den Tieren natürlich schon mitbringen - mit Einweisung um die zweieinhalb Stunden. 20 Euro pro Person kostet eine Alpaka-Wanderung bei Gruppen von mindestens vier Leuten. Aber Veronika Darchinger spaziert auch schon mit ein oder zwei Interessenten durch die Landschaft. Das kostet dann pauschal 80 Euro. Sie achtet darauf, dass die Tiere nicht mehrmals täglich wandern und sich immer wieder erholen können. Mehr als eine Wanderung pro Tag wollen ihnen die Darchingers nicht zumuten. "Es kommen eigentlich immer sehr nette Leute zum Wandern, die meist sehr interessiert an den Tieren sind", erzählt die 54-Jährige. Gebucht werden die Wanderungen unter anderem von Freundeskreisen, Pärchen, Familien und Firmen. Im vergangenen Jahr buchten witzigerweise fünf Frauen unabhängig von einander Wanderungen für ihre Junggesellinnenabschiede - "die Bräute meist mit einem kleinen Schleier auf dem Kopf", erinnert sich Darchinger. Im kommenden Sommer sollen die Darchingers mit ihren Tieren zu einer Hochzeit nach Bernried kommen. "Da wird sicher auch der eine oder andere Gast die Tiere mal am Halfter herumführen wollen", glaubt sie.

Alpakas stammen aus Peru, aus den Anden. Dort leben sie in rund 4000 Metern Höhe. Das heißt, es ist nachts sehr kalt, die Temperaturen sinken auf unter Null Grad, tagsüber steigen sie auf um die 20 Grad. Die Tiere kommen darum auch mit dem hiesigen Klima gut zurecht. Alpakastuten lecken ihre Fohlen nicht trocken, weil ihre Zungen dafür zu kurz sind. Das Fell der Neugeborenen muss an der Luft trocknen. Und das braucht Zeit. "Darum bekommen Alpakas ihre Jungen immer vormittags", sagt Darchinger. Denn nachts müssen die Kleinen trocken sein, sonst überleben sie die erste Nacht in der kalten Anden-Luft nicht. Für die Darchingers ist das von Vorteil, denn anders als in der Kuhhaltung müssen sie nachts nicht raus, um nach den Fohlen zu schauen. Alpakas bekommen ihre Jungen ohnehin alleine. Nach zirka einer halben Stunde stehen die Fohlen bereits auf. Sie trinken sechs Monate Muttermilch, knabbern aber während dieser Zeit auch schon am Heu herum. "Es ist ein langsamer Übergang."

Die Darchingers haben meist drei Herden auf ihren Feldern - in einer sind die Stuten mit ihren Fohlen, in der anderen die Hengste und in der dritten sind die Junghengste. Sie werden von einem älteren, sehr friedlichen Hengst auf das Leben in der Hengstherde vorbereitet. Die Darchingers behalten ihre Tiere übrigens auch, wenn diese alt werden und krank. Anders als in Peru werden Alpakas hierzulande auch nicht geschlachtet. "Das würde uns auch nahegehen", sagt Veronika Darchinger. Alle ihre Tiere tragen natürlich Namen sie heißen beispielsweise Selma, Soraya, Sascha oder Sonette. Jede der Stuten trägt den Anfangsbuchstaben vom Namen ihrer Mutter, die Hengste den der Väter. Für jedes der Tiere haben die Darchingers einen überprüften Stammbaum. Alle tragen Mikrochips.

Einmal pro Jahr, Ende Mai, werden die Alpakas geschoren. Die Eheleute machen dies stets selbst. Die ganze Aktion muss möglichst schnell vonstatten gehen, da sie bei den Tieren äußerst unbeliebt ist. "Ich brauche mit der Schermaschine zirka zehn Minuten pro Tier", sagt die 54-Jährige, die auch schon Scherkurse gegeben hat. Je nach Körpergröße des Tieres erhält man ein bis fünf Kilogramm Haare. Sie heißen in der Fachsprache Fasern. Die Darchingers bringen die Fasern, getrennt nach Farben, in eine kleine Spinnerei in Peiting. Von dort erhalten sie dann ihre eigene Alpakawolle in Strängen zu 100g zurück. Diese verkaufen sie für 18 Euro. Die Hälfte der Summe geht an die Spinnerei. Auf Bestellung webt Veronika Darchinger neuerdings auch Schals in unterschiedlicher Länge. Dafür hat sie sich einen Webrahmen angeschafft. Zirka vier Stunden Arbeit steckt in jedem Schal. Günstig zu haben sind die Alpakaschals darum nicht. Für einen einfarbigen, mehrfarbigen oder gemusterten Schal verlangt die Züchterin 80 bis 150 Euro je nach Länge. "Eine gute Beschäftigung für Wintertage", nennt sie das Weben. Und freut sich darüber, immer neue Farbkombinationen und Muster ausprobieren zu können.

Die Fasern der älteren Tiere sind kürzer und nicht mehr ganz so weich. Diese schicken die Darchingers zu einem Bettenhersteller nach Chemnitz, der Bettdecken davon fertigt. Die Steppdecken (260 bis 389 Euro) sind extrem leicht und "fünf mal so warm wie Schafwolle", sagt sie. Außerdem besitzen die Fasern der Alpakas anders als Daunen die Fähigkeit zum Temperaturausgleich und "sie sind für Tierhaarallergiker geeignet, weil Alpakawolle als Antiallergen gilt", erzählt die Züchterin.

Auf Christkindl- oder Wochenmärkten trifft man Veronika Darchinger aber nicht an. Sie ist, wie sie sagt, "nicht so der Markttyp". Ihre Produkte verkauft sie über ihre Homepage und durch Mund zu Mund Propaganda.

© SZ vom 18.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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