Allerheiligen:Faszination Tod

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Die Arbeit beim Bestatter interessiert überraschend viele junge Menschen. Die Unternehmen im Landkreis Starnberg haben jedenfalls genügend Bewerber um Ausbildungsplätze

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg/Gilching

Mit dem Tod beschäftigt sich niemand gerne, sollte man meinen. Doch das Bestatter-Handwerk boomt, Nachwuchssorgen haben die Unternehmen im Landkreis Starnberg jedenfalls nicht. "Wir schreiben keine Lehrstellen aus, die melden sich von selbst", sagt Andreas Freilinger, Geschäftsführer der Firma "Abschied" aus Gilching. Mindestens einmal pro Monat gehe eine Bewerbung ein. Und auch die Starnberger Firma Zirngibl kann sich nach Angaben des Disponenten Markus Eckl jedes Jahr unter mehreren Praktikanten den geeignetsten Lehrling auswählen. Der letzte Azubi, der im Frühjahr seinen Abschluss gemacht habe, sei sogar als bester Lehrling Bayerns ausgezeichnet worden, erklärt Eckl stolz.

Für Max Michal (links) ist der Tod etwas ganz normales. Den Beruf des Bestatters erlernt er bei Marcus Eckl. (Foto: Nila Thiel)

Als Max Michal Mitschülern nach dem Abitur erklärte, er wolle Bestatter werden, fielen die Reaktionen höchst unterschiedlich aus. "Das ging von gemischten Gefühlen bis interessiert, andere fanden es total eklig", erzählt der 19-Jährige, der seit September Azubi bei der Firma Zirngibl ist. Für Michal ist der Tod etwas Normales. Er wuchs in dem Gebäude auf, in dem seine Eltern ein Bestattungsunternehmen betreiben. Dennoch wollte er zunächst einen anderen Beruf ergreifen. Doch bei Ferienjobs im elterlichen Unternehmen stellte er fest: Dieser Beruf ist so abwechslungsreich, dass er ihn ein Leben lang ausüben könnte. "Ich könnte mir vorstellen, dass ich auch nach 20 Jahren noch arbeite, als wenn es mein erster Fall wäre."

Die Auszubildende Christina Müller und ihr Chef Andreas Freilinger bei "Abschied" in Gilching. (Foto: Nila Thiel)

Die dauerhafte Konfrontation mit dem Tod und der Umgang mit trauernden Menschen scheint junge Menschen nicht abzuschrecken. Im Gegenteil: "Der Tod ist ein Mysterium, das gerade junge Menschen interessiert", sagt Eckl. Spätestens seit Fernsehserien wie "Six Feet Under" oder "Der Bestatter" liefen, sind viele junge Menschen fasziniert von dem Beruf.

Wenn sie abends ausgehe, stehe sie oft im Mittelpunkt, erzählt Christine Müller vom Bestattungsunternehmen "Abschied". Meist werde sie nach Kriminalfällen, Mord oder Ertrunkenen im Starnberger See gefragt. Eigentlich wollte die 23-Jährige Erzieherin werden. Den Anstoß für ein Praktikum bei "Abschied" habe ihr Freund gegeben, der selbst Bestatter ist. "Danach war mit klar, das ist mein Beruf", sagt Müller, die im Sommer ihre Ausbildung abgeschlossen hat. "Den Toten zu Ehren, den Lebenden zu Diensten" ist ihr Motto. Ebenso wie Michal gefallen auch Müller die Abwechslung und die Anforderungen. Man könne sich keine Fehler erlauben. "Eine Bestattung ist einmalig, die kann man nicht wiederholen." Jeder Sterbefall sei persönlich und individuell. In den ersten zwei Minuten eines Beratungsgesprächs müsse sie entscheiden, wie sie mit den Angehörigen umgehen muss. Dafür hat sie ein Seminar für Trauerpsychologie besucht. Man brauche viel Fingerspitzengefühl und Empathie.

Natürlich habe der Beruf auch Schattenseiten, beispielsweise, wenn ein Verstorbener eingesargt werden muss, der schon lange in einer Wohnung gelegen hat, ein entstelltes Unfallopfer oder bei Suizid. "Man gewöhnt sich an Gerüche und Optik", sagt Müller. "Es ist ein Mensch, egal was mit ihm passiert ist." Besonders belastend war beispielsweise der Fall eines 13-Jährigen, der sich erhängt hatte. "Den Eltern kann man nichts mehr sagen, was Trost spenden könnte." Michal trifft es immer wieder sehr, wenn der Verstorbene in seinem Alter oder jünger ist. Dennoch überwiege das Positive, sagt er. Dabei ist weder für ihn, noch für seine Berufskollegin Müller der gute Verdienst entscheidend und auch nicht der krisensichere Job. Das Wichtigste sei, etwas Sinnvolles zu tun. "Das Schönste an diesem Beruf ist, wenn man merkt, dass man den Angehörigen helfen konnte", sagt Michal.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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