Städtische Heime:Münchenstift fürchtet neue Welle

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Mitarbeiter müssen nach Urlaub zweimal zum Corona-Test. Die Bilanz für 2019 fällt positiv aus

Von Sven Loerzer

Eigentlich könnten sich Münchenstift-Chef Siegfried Benker und die Aufsichtsratsvorsitzende des städtischen Heimträgers, Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD), über das vergangene Jahr richtig freuen: "Unser Münchenstift steht gut da", sagte Dietl bei der Vorstellung des Jahresberichts 2019, das belegten die Zufriedenheit der Mitarbeiter und Bewohner. Doch die positiven Ergebnisse werden überschattet von der Corona-Pandemie. "Wir machen uns große Sorgen um eine zweite Welle", erklärte Benker. So seien bereits drei Mitarbeiter nach der Rückkehr aus ihrem Urlaub positiv getestet worden. Beim Heimträger sind deshalb alle Mitarbeiter verpflichtet, sich sofort nach der Rückkehr aus dem Urlaub und sieben Tage danach noch ein weiteres Mal testen zu lassen. "Wir müssen lernen, mit einer neuen Normalität umzugehen", meinte Benker.

Es sei eine schwere ethische Entscheidung gewesen, die 13 Häuser mit knapp 3000 Plätzen "dicht zu machen", um die zur Hochrisikogruppe zählenden Bewohner zu schützen. Das Pflegepersonal habe nicht nur in den Krankenhäusern viel geleistet, betonte Benker: "Die Altenpflege musste funktionieren, damit die Kliniken funktionieren konnten." Dort wären die Kapazitäten schnell erschöpft gewesen, wenn man viele Heimbewohner in die Kliniken hätte verlegen müssen. Im Zusammenhang mit Corona hätte es eine Flut von Verordnungen gegeben, weswegen Benker forderte, "künftig einen Menschen aus der Altenpflege im Ministerium zu beteiligen", um zu praktikablen Regelungen zu kommen. Für Schutzausrüstung sollte eine Preisbindung eingeführt werden. "Die hatten wir nur, weil wir zu unverschämten Preisen eingekauft haben."

Im vergangenen Jahr hat der städtische Heimträger seine starke Stellung gut behauptet: "Münchenstift ist die erste Anlaufstelle für Menschen, deren Pflege zu Hause nicht mehr gesichert ist", sagte Dietl. "Die Bewohner fühlen sich sehr wohl und wohnen gerne hier", die Bewohnerbefragung ergab die Note 2,2 (2017: 2,3). 71 Prozent, neun Prozentpunkte mehr, würden sich uneingeschränkt wieder für den Träger entscheiden. Auch die Pflegestandards bewegten sich auf sehr hohem Niveau. Besonders stolz ist Benker darauf, dass es gelungen ist, auf die sogenannten freiheitsentziehenden Maßnahmen, wie etwa Fixiergurte und Bettgitter, fast völlig zu verzichten: Während bundesweit 8,9 Prozent der Heimbewohner betroffen sind, beträgt der Anteil unter Münchenstift-Bewohnern nur noch 0,03 Prozent. Auch die palliative Versorgung in den Häusern gelingt immer besser: Der Anteil der Bewohner, die im Krankenhaus sterben, ist nun auf weniger als ein Viertel gesunken. Den meisten bleibt die Verlegung in die Klinik erspart.

Sehr erfolgreich sei auch der vierjährige Testlauf für das Pflegekonzept des "Primary Nursing" im Haus St. Martin gewesen, freute sich Verena Dietl. Dabei plant und organisiert eine Pflegefachkraft den kompletten Pflegeprozess bei den Bewohnern, die in einer Wohngruppe leben. Kleinere Teams übernehmen mit fester Zuständigkeit die Pflege. "Alle sind zufriedener: Die Bewohner mit einer intensiveren Betreuung und mehr Nähe, und die Mitarbeitenden mit mehr Verantwortung und der Möglichkeit, sich direkt einzubringen und im Team weiterzuentwickeln", erklärte Selda Ikonomou, Leiterin des Hauses St. Martin, die Vorteile. Benker will es nach und nach in allen Häusern einführen, in diesem Jahr zunächst in zwei weiteren.

Für die 2826 Plätze in den 13 Häusern meldet der Heimträger für 2019 mit einer durchschnittlichen Belegung von 99,67 Prozent (2018: 99,55 Prozent) nahezu Vollbelegung. "Die Münchner gehen gerne zum öffentlichen Träger, sie lieben Münchenstift." Andere Münchner Heime kämen im Schnitt auf 85 bis 90 Prozent, was auch daran liege, dass sie wegen Personalmangels nicht alle Plätze belegen können.

Erwirtschaftete 2019 die gemeinnützige GmbH 2,6 Millionen Euro als Jahresergebnis, das in Investitionen fließt, so liegt die Prognose für dieses Jahr wegen der Kosten für die Digitalisierung, durch die mehr Zeit für die Pflege bleiben soll, für Jobticket und Münchenzulage bei einem Minus von 1,4 Millionen Euro. "Wir wollen aber noch mindestens auf eine schwarze Null kommen", kündigte Benker an.

Zum 1. April sind die Pflegesätze nicht gerade unerheblich gestiegen, wofür die meisten Betroffenen Verständnis gezeigt hätten. Mit einem Einstiegsgehalt von nun mehr als 3500 Euro brutto für eine Fachkraft sei der Heimträger mit den neuen Zulagen weiterhin "einer der bestbezahlenden Pflegeanbieter in Deutschland". Nur so ließen sich in einer teuren Stadt wie München Pflegekräfte bekommen und halten, sagte Benker. "Der Pflegemarkt ist völlig leergefegt."

© SZ vom 08.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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