Städtische Finanzen:Sandkastenspiele

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Stadtkämmerer Ernst Wolowicz darf wieder entspannter dreingucken, wenngleich er des Ausgabenüberschusses wegen keinen Grund zur Euphorie sieht. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Stadtrat berät zum vorerst letzten Mal über Schuldentilgungen

Von Dominik Hutter

Gut möglich, dass eine solche Debatte zum vorerst letzten Mal stattgefunden hat. Dem städtischen Haushalt stehen harte Zeiten bevor, da wirken Streitereien um die vorzeitige Rückzahlung von Schulden wie ein Sandkastenspiel aus besseren Zeiten. Noch aber ist die Situation relativ komfortabel, und so ging es im Finanzausschuss des Stadtrats am Dienstag darum, ob Kämmerer Ernst Wolowicz den Banken im laufenden Jahr 169 Millionen Euro zurückzahlen soll. So die Forderung von FDP-Mann Michael Mattar. Oder lieber nur 60 Millionen, wie die Grünen empfahlen. Diese Summe entspricht dem ursprünglichen Ansatz des Kämmerers, erinnert Grünen-Fraktionschef Florian Roth, und dessen Weisheit zähle mehr als der Kompromiss des schwarz-roten Rathausbündnisses. Das hatte sich, trotz Zähneknirschens in der SPD, auf 90 Millionen geeinigt. Ein "Symbol", das gab auch CSU-Finanzsprecher Michael Kuffer zu. Aber man dürfe die Realität nicht ausblenden.

Die Debatte kreist um eine Grundsatzfrage: Soll man in guten Zeiten Geld zur Seite legen, um später ein Polster zur Verfügung zu haben? Dies ist die Haltung sowohl der Grünen wie auch der SPD. "Es ist klug, wenn man noch etwas in der Rückhand hat", sagte SPD-Finanzexperte Hans Dieter Kaplan. FDP und CSU bevorzugen hingegen die These: alte Verpflichtungen rechtzeitig loswerden, um in schlechten Zeiten mehr Spielraum zu haben. Die Idee der forcierten Rückzahlung stammt ursprünglich von der CSU, Kuffer vertritt sie seit Monaten. Nur: Die CSU regiert nicht allein, weshalb sich die beiden Koalitionäre auf einen Mittelweg einigen mussten. Es sei "verantwortungsvoll, das Ganze auf Sicht zu fahren", erklärte Kuffer schließlich im Finanzausschuss. Die 90 Millionen setzten sich denn auch durch.

Derzeit hat die Stadt noch gut 700 Millionen Euro Schulden - ein knappes Fünftel des Höchststands von 2005. Das sei, bei einer Einwohnerzahl von 1,5 Millionen, im deutschlandweiten Vergleich wohl einmalig, prahlte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Allerdings rechnet auch der Rathaus-Chef damit, dass 2017 neue Kredite aufgenommen werden müssen. Schon der Haushalt 2016 musste wegen gestiegener Ausgaben bei gesunkenen Einnahmen um vier Wochen verschoben und überarbeitet werden. Der Kämmerer will ihn nun am Donnerstag dem Stadtratsplenum vorlegen. Das Millionenloch ist inzwischen geschlossen, Reiter und Wolowicz konnten das Geld in den Etats der Referate zusammenkratzen. Tiefere Einschnitte wie etwa der Verzicht auf Großprojekte sollen erst in den kommenden Monaten besprochen werden.

Für Rätselraten sorgt bei der Opposition nach wie vor die Verdoppelung der Kosten für die Schulbauoffensive - von 4,5 Milliarden auf neun Milliarden Euro innerhalb kurzer Zeit. Das Bildungsreferat räumte am Dienstag auf Anfrage der Grünen ein, die ursprüngliche Summe beruhe auf einer "grob überschlägigen Schätzung ohne konkrete Projektplanung und ohne pauschalen Aufschlag für Risiken". Nach Auskunft Wolowiczs sind in den neun Milliarden sowohl ein Risikozuschlag von 25 Prozent als auch ohnehin geplante Projekte und solche mit geringerer Priorität enthalten.

© SZ vom 18.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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