Städtetag in München:Schluss mit der Demütigung

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Die Kommunen wollen nun bei Bundesgesetzen mitreden - ihr Anwalt, eher ein Pflichtverteidiger, ist bislang das jeweilige Bundesland.

Joachim Käppner

Der Mann saß vor verschlossenen Türen, anfangs auf den Treppenstufen, später fand er eine Holzbank. Irgendwann in der Nacht wurde er hineingerufen.

Oberbürgermeister: Petra Roth (Frankfurt), Christian Ude (München, links), Herbert Schmalstieg (Hannover). (Foto: Foto: ddp)

Die Runde drinnen, der Vermittlungsausschuss, zeigte bereits erhebliche Ermattungserscheinungen; dann durfte er ein Statement abgeben und wieder gehen. So ist es Stephan Articus, dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, 2003 bei den Beratungen zu Hartz IV in Berlin ergangen.

Das haben die Kommunen nicht vergessen. Zwar ist die Zeit bitterer Verteilungskämpfe mit Bund und Ländern erst einmal vorbei - die Steuereinnahmen fließen prächtig. Doch Streitthemen bleiben genug: die Kosten der Kinderbetreuung, die Ausländerintegration, die überbordende Bürokratie.

Und das Problem ist heute wie früher: "Es wird mehr über uns geredet als mit uns", sagt Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, der die kleineren Kommunen vertritt. Er fordert daher: "Die Städte brauchen ein verbindliches Anhörungsrecht."

Bisher kann der Bundestag, wenn er über Sozialreformen oder Kinderkrippen berät, die Gemeindeverbände hören - er kann es aber auch bleibenlassen oder sie, siehe Hartz IV, in einer Form zu Wort kommen lassen, die Städtetags-Präsident Christian Ude (SPD) "demonstrative Demütigung" nennt.

Die Kommunalverbände verlangen eine Verfassungsänderung. Artikel 28, der die Selbstverwaltung der Städte garantiert, soll um ein Anhörungsrecht ergänzt werden. Ziel der Operation ist es, so Landsberg, "dass die Kommunen zu allen sie betreffenden Gesetzesvorhaben und Fragen Stellung nehmen können".

Die Betroffenen nicht einmal in eigener Sache reden zu lassen, kann böse Folgen haben. Als die Kommunalverbände 2003 jammerten, das Wohngeld für Hartz-IV-Empfänger werde sie Milliarden kosten, hörte keiner hin. Der damalige Superminister Wolfgang Clement (SPD) höhnte über die "Kunst, sich arm zu rechnen". Doch die Städte behielten recht - und zahlten erst mal drauf.

Ihr Anwalt und Vertreter dem Bund gegenüber, so will es das Grundgesetz, ist allein das jeweilige Bundesland. Nur sind die Länder aus Sicht der Kommunen bestenfalls lustlose Pflichtverteidiger, die noch dazu im begründeten Verdacht stehen, beim Honorar nicht sauber abzurechnen. Viel Geld für die Kommunen ist schon in Landesetats versickert.

Der Städtetag, der große Schwesterverband, unterstützt die Forderung der kleinen Gemeinden. "Wir werden zwar von der Großen Koalition häufiger konsultiert, als es vorher der Fall war", sagt Ude, "dennoch wäre es absolut sinnvoll, ein Beteiligungsrecht in der Verfassung zu verankern. Wir sind nicht ja nicht irgendeine Lobby wie die der Zahntechniker oder der Autoindustrie, sondern vertreten die gesamte Bevölkerung."

Von diesem Dienstag an hält Ude als Münchner Oberbürgermeister Hof: Er ist Gastgeber der Hauptversammlung des Städtetags. Wenn die Kanzlerin, der SPD-Vorsitzende, der bayerische Ministerpräsident dort ihre Aufwartung machen, geht es zwar offiziell um das so schöne wie komplexe Thema der Stadt in der globalen Welt.

Zu besprechen gibt es aber einiges über die Rolle der Stadt in der nicht minder komplexen Welt des deutschen Föderalismus. In den Ländern will man nämlich von Beteiligungsrechten nichts wissen - weshalb die Föderalismusreform II das Thema weiträumig umschifft. Die Gemeindevertreter werden nicht zum letzten Mal auf der Sünderbank gehockt haben.

© SZ vom 22.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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