Stadtwerke in der Kritik:Stromrechnung: 156.559 Euro für Zwei-Zimmer-Wohnung

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Schon einmal hatten die Stadtwerke einen Kunden mit einer horrenden Stromrechnung geschockt. Sie entschuldigten — und wiederholten den Fehler.

Berthold Neff

(SZ vom 2.5.2003) — Die Abrechnungspraxis der Stadtwerke München GmbH (SWM) gerät immer stärker in die Kritik. Nachdem die SZ Anfang April über eine horrende Stromrechnung berichtete, ein Kunde soll für seine Zwei-Zimmer-Wohnung 156.559,16 Euro bezahlen, sprach man bei den Stadtwerken von menschlichem Versagen bei der persönlichen Sachbearbeitung und versprach Besserung. Die Schlamperei geht aber munter weiter: Am Dienstag präsentierten die Stadtwerke die selbe Rechnung noch einmal.

Als der Stadtwerke-Kunde Hans-Albert W. die am 8.April ausgestellte saftige Rechnung erstmals erhalten hatte, nahm er die Sache noch von der humoristischen Seite und war froh, dass er dagegen protestieren konnte: "Wäre ich in Urlaub gewesen, hätten die Burschen doch tatsächlich diesen irrwitzigen Betrag von meinem Konto abgebucht".

Als die SZ dann über die absurd hohe Forderung berichtete, reagierten die Stadtwerke leicht geknickt, behaupteten aber, dass "das EDV-System störungsfrei und korrekt arbeitet". Es bleibe nur "die persönliche Sachbearbeitung als mögliche Fehlerquelle im Bearbeitungsablauf bestehen". Insgesamt jedoch sei es in den letzten Monaten gelungen, "die Qualität im Kundenkontakt und bei der Abrechnung zu steigern".

Gesteigert wurde offenbar jedoch vor allem die Höhe der Stromrechnungen. Bereits im August 2002 hatten die Stadtwerke überhöhte Rechnungen verschickt. Einzelne Privatkunden sahen sich mit Beträgen von bis zu 50.000 Euro konfrontiert.

Damals, so Stadtwerke-Sprecherin Bettina Hess, betraf die Panne nur die Barzahler. Nun aber erwischte es offenbar auch diejenigen, die wie Hans-Albert W. den Stadtwerken eine Einzugsermächtigung erteilt hatten.

Nach dem ersten Schock über die Rechnung mit 156.559,16 Euro (mit diesem Geld hätte er die ganze Zwei-Zimmer-Wohnung in Englschalking kaufen können) reagierte Hans-Albert W. prompt. Er widerrief die Einzugsermächtigung per Einschreiben mit Rückschein — und tat gut daran.

Was er selbst nach dem ersten Zwischenfall nicht für möglich gehalten hatte, traf ein: Obwohl der Fall in der Öffentlichkeit großes Aufsehen erregt hatte, präsentierten ihm die Stadtwerke die identische Rechnung vom 8. April mit Brief vom 28. April noch einmal.

Und dies, obwohl die SWM nach der ersten Panne versichert hatten, dass "die Qualitätskontrolle bei Rechnungsversendungen nun wieder in vollem Umfang greift". Nun überlegt der Kunde, ob er sich allmählich nach einem Anwalt umschauen sollte.

Die Abrechnungspraxis beschäftigt mittlerweile auch OB Christian Ude, der auf Antrag der Rathaus-CSU die Frage beantworten muss, wann die Stadtwerke "endlich in der Lage sein werden, ihren Kunden ein ordnungsgemäßes Abrechnungs- und Abbuchungsverfahren zu garantieren.

Dass die Stadtwerke auch sonst noch hart daran arbeiten müssen, bis der Kunde bei ihnen König ist, zeigt auch das Beispiel der Firma FTZ Büroservice. FTZ-Geschäftsführerin Birgit Fendt machte am 9. April bei den Stadtwerken eine Buchbinder-Wanninger-Tour mit, als sie zu klären versuchte, warum man ihr um zehn Uhr morgens den Strom abgesperrt hatte (und die Sperrung erst um 17.30 Uhr aufhob).

Zwei Wochen lang hörte sie von den Stadtwerken nichts, bis sich am 23. April ein SWM-Mitarbeiter erkundigte, wann der Strom nun gesperrt gewesen sei. Ihre Frage, bei welcher Stelle der Stadtwerke sie Schadenersatz für einen verlorenen Arbeitstag anmelden könne, blieb bis heute unbeantwortet.

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