Stadtversammlung:Attraktiver Chefposten

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Sechs Kandidaten bewerben sich um das Amt des Co-Vorsitzenden der Münchner Grünen. Das Rennen ist offen. Der neue Mann hat angesichts der im Jahrestakt folgenden Wahlen ein dicht gedrängtes Programm zu absolvieren

Von Heiner Effern

Gefühlt geht es in der Münchner Politik seit der Bundestagswahl hauptsächlich um Depressionen. Die Volksparteien CSU und SPD rätseln immer noch, warum sie und ihr Volk nicht mehr zusammenfinden. Tatsächlich gibt es aber auch eine Partei, die von einer Vorwahldepression in einen unerwarteten Glücksrausch katapultiert worden ist: 17,2 Prozent, zweitstärkste Kraft nach den lange Zeit so schlechten Umfragewerten, wenn die Grünen an diesem Mittwochabend auf der Stadtversammlung ihr Wahlergebnis in München analysieren, wird die Ansage von Parteichefin Gudrun Lux eher noch als dezent zu bewerten sein. "Wir brauchen uns nicht zu verstecken", sagte sie im Voraus. Die zweite Stelle an der Stadtspitze, die seit dem Rücktritt des Co-Vorsitzenden Hermann Brehm im Juli vakant ist, kann ohne Aufregung und Krisenmodus gelassen besetzt werden. Sechs Kandidaten haben sich vorab beworben.

"Ich finde es gut, dass so viele Leute Lust darauf haben", sagt Stadtchefin Lux. Alle brächten ihre Qualitäten mit. Über die Wahlchancen äußert sie sich nicht, es gibt auch keine offizielle Wunschbesetzung des Vorstands. Vier der sechs Kandidaten wird parteiintern ein leichter Vorsprung eingeräumt: Peter Heilrath, der einen engagierten Bundestagswahlkampf im Münchner Süden hingelegt hat. Helena Geißler und Sylvio Bohr, die beide als Beisitzer im Vorstand mitarbeiten. Und schließlich auch Arne Brach, der als Ortsvorsitzender im Zentrum schon Führungserfahrung hat. Doch wie so oft gilt bei den Grünen: Alles ist offen, eine gute emotionale Rede auf der Stadtversammlung kann die Kräfte verschieben. In jedem Fall wird für den Sieger viel Zeit und Motivation vonnöten sein, das Programm ist dicht gedrängt. Die Grünen entscheiden auf der Stadtversammlung nämlich auch, ob sie den Bürgerentscheid "Raus aus der Steinkohle" unterstützen, über den die Münchner am 5. November abstimmen werden. Parteivorstand und Fraktion haben sich bereits dafür ausgesprochen, dass der Steinkohleblock im Kraftwerk Nord bis Ende 2022 abgestellt werden soll. Folgt dem die Stadtversammlung, würden die Grünen umgehend in den Wahlkampf einsteigen.

Parallel bereitet die Partei mit anderen Organisationen eine Radoffensive vor, und im Oktober und November sind bereits die neun Aufstellungsversammlungen der Stimmkreise für die Landtagswahl 2018 terminiert. Im Frühjahr startet der Wahlkampf. Ludwig Hartmann, Münchner Fraktionschef der Grünen im Landtag, weiß bereits, was er aus dem Bundestagswahlkampf übernehmen will. "Wir waren ganz stark auf der Straße, diese Masse an Infoständen, diese vielen Haustürbesuche." Es müsse nicht immer die große Show an den Ständen laufen, aber die Grünen müssten da sein, wenn sie ihre Wähler ansprechen wollten. Und auch dann, wenn diese an ihrer Partei zweifelten und sich nach ein paar Minuten Gespräch überzeugen ließen, doch wieder grün zu wählen. Besser werden könnte die Partei in Hartmanns Augen im Werben um die Briefwähler. Als die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs im September begann, hätten viele schon gewählt gehabt.

Wer auch immer an die Seite von Gudrun Lux trete, der müsse angesichts der im Jahrestakt folgenden Wahlen in Europa, in der Stadt und im Bund viel Zeit und Energie mitbringen, sagt Hartmann, der zur Landtagswahl wohl im neuen Stimmkreis in der Stadtmitte antreten wird und genügend Ehrgeiz mitbringt, diesen für die Grünen direkt gewinnen zu wollen. Wichtig seien aber noch zwei andere Eigenschaften: Teamfähigkeit und die Bereitschaft, "das Amt auch mal länger über ein paar Jahre hinweg auszuüben". Angesichts der vielen anstehenden Wahlkämpfe sei eine stabile Spitze von enormem Wert. Besonders auch in der Stadt wollen die Grünen bis zur Wahl 2020 angreifen, versichert Gudrun Lux. Das an sich selbst zweifelnde Rathausbündnis aus SPD und CSU wirkt auf die Grünen verwundbar. "Die Leute haben die Schnauze voll von großen Koalitionen", sagt die Stadtchefin der Grünen.

© SZ vom 04.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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