Stadtrat vor der Sommerpause:Gemeinsam gegeneinander

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Die Koalitionäre von CSU und SPD haben viel zu streiten, doch inzwischen gehen sie damit professioneller um. Das werden sie im Herbst noch brauchen, dann stehen wirklich große Entscheidungen an - anders als am Mittwoch

Von Dominik Hutter, München

Tiefenentspannt sei er, versichert Bürgermeister Josef Schmid (CSU). Er wirkt tatsächlich so. Soeben hat die rot-schwarze Rathauskoalition mit vereinten Kräften den Kommunalreferenten Axel Markwardt abgemeiert und beschlossen, die Planung der neuen Großmarkthalle nicht in seine, sondern lieber in private Hände zu geben. Es gibt eine gemeinsame Lösung für das Radweg-Problem in der Rosenheimer Straße, die Bündnispartner haben sich darauf verständigt, neue Schadstoff-Messstellen aufzubauen, und zu allem Überfluss hat Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) auch noch einen Redebeitrag Schmids ausdrücklich gelobt. Was nicht selbstverständlich ist. Die Ferien können kommen.

Bei der Vergabe des Kulturstrands flogen noch die Fetzen in der Rathauskoalition. (Foto: Stephan Rumpf)

Es ist die letzte Plenumssitzung vor der Sommerpause, 221 Punkte stehen auf der Tagesordnung, und im Großen Sitzungssaal des Rathauses hat sich eine gewisse Lässigkeit, schon fast Wurstigkeit ausgebreitet. Vergessen ist die heftige Debatte vom Vortag, als sich die Bündnispartner wegen des geplanten kommunalen Ordnungsdienstes in den Haaren lagen, den die CSU partout bewaffnen will. Die Koalitionäre, so hat es den Anschein, haben sich an sich und ihre Differenzen gewöhnt. Gemeinsam regieren, aber auch gegeneinander argumentieren, lautstark streiten und öffentlich über die Personalien des anderen lästern - das ist im Rathaus kein Widerspruch mehr. Lieben werden sich diese Partner nie mehr, aber das hat eigentlich jeder von Anfang an geahnt. Dennoch räumen CSU und SPD am Mittwoch viele Themen nach und nach einmütig ab: Die Einführung eines (unbewaffneten) kommunalen Sicherheitsdienstes passiert ebenso den Stadtrat wie die neuen Richtlinien für den privaten Wohnungsbau (Sobon) oder die Förderung von Elektroautos.

Am Mittwoch aber billigen SPD und CSU einmütig die neuen Wohnungsbau-Vorgaben für Grünflächen und ähnliches. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das heißt beileibe nicht, dass im Bündnis pure Harmonie herrscht. Nach wie vor nimmt die SPD der CSU sehr übel, dass sie zwar im Rathaus stets für mehr Wohnungsbau plädiert, draußen in den Stadtvierteln aber gegen jedes Zubetonieren angeblich schützenswerter Flächen wettert. Die Begeisterung der Sozis für die Personalie Kristina Frank, die im kommenden Jahr Kommunalreferentin werden will, hält sich in engen Grenzen, und das lassen die SPD-Stadträte auch durchblicken. Themen wie der Kulturstrand, als die CSU zusammen mit den Grünen die SPD überstimmte, belasten die Atmosphäre. Und natürlich befördert auch die bevorstehende Bundestagswahl keinen Schmusekurs.

Die neue Großmarkthalle wollen sie nun privat bauen lassen. (Foto: Stephan Rumpf)

Aber die Koalitionäre können mit ihren regelmäßigen Knatsch-Attacken inzwischen besser umgehen als zu Beginn der Amtsperiode. In gewissem Sinne handelt es sich um eine Professionalisierung der Dissonanz. Ähnlich, wie es SPD und Grüne unter Christian Ude pflegten. In der damaligen Koalition waren bestimmte Streitthemen ganz bewusst von gemeinsamen Entscheidungen ausgenommen, dann war also erlaubt, gegeneinander abzustimmen. Gut möglich, dass dieses Modell im Herbst auch im aktuellen Rathausbündnis mehrfach zum Einsatz kommen muss. Dann soll es um Finanzen gehen und vor allem um die bevorstehende Neuverschuldung, die die CSU verhindern will. Um die Schaffung neuer Stellen in der Stadtverwaltung, die nach Meinung vieler Politiker völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Und irgendwann werden SPD und CSU auch bei der U-Bahn Farbe bekennen müssen: Welche Strecke genießt Priorität? Da herrscht - mit Ausnahme der U-5-Verlängerung nach Pasing - keineswegs Einigkeit.

Vergleichsweise einfach verlief die Konsensfindung bei der Großmarkthalle. Die Kostenprognose für den geplanten Neubau verursacht schon seit Längerem bei SPD wie CSU Bauchgrimmen - so heftig, dass sie nun sogar den Kommunalreferenten, der ja von der SPD gestellt wird, bedröppelt im Regen stehen ließen. Markwardt kann nun die Planung von Jahren in die Tonne treten, samt dem Ergebnis eines Architektenwettbewerbs. Denn SPD und CSU wollen, zum Missfallen der gesamten Opposition übrigens, die komplette Planung ausschreiben und an einen privaten Investor vergeben. An die Stelle des bisherigen, wegen seiner Eleganz gelobten Entwurfs, soll eine "Funktionshalle" treten. Was helfe es, so SPD und CSU einmütig, wenn das Projekt so teuer wird, dass sich später die Händler die Miete nicht mehr leisten können? Markwardt blieben nur vorsichtige Warnungen vor den nun anstehenden Risiken - und der bezeichnende Satz, er müsse bei seiner Kommentierung die herrschenden Mehrheitsverhältnisse berücksichtigen.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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