Stadtrat:Streit ums Mitmachen

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SPD und CSU halten die Angebote zur Beteiligung von Bürgern für vielfältig genug. Die Grünen wollen mehr und wünschen sich einheitliche Richtlinien

Von Heiner Effern, München

Wie viel und vor allem auf welche Weise dürfen die Bürger bei politischen Beschlüssen mitreden und auch mitentscheiden? Mit dieser Frage hat sich der Stadtrat am Mittwoch grundsätzlich beschäftigt, und SPD und CSU zogen das Fazit: So, wie es jetzt ist, läuft es schon sehr gut. Die Grünen dagegen kritisierten diese Zufriedenheit in und auch vor der Sitzung scharf. "Ein Offenbarungseid" seien die marginalen Verbesserungen bei der Bürgerbeteiligung, die das Regierungsbündnis anstrebe, erklärte Fraktionschef Florian Roth. Das passe ins Bild der "konsequenten Politikverweigerung bei der Weiterentwicklung der Bürgerbeteiligung".

Die Regierungsfraktionen ließen diese Angriffe nüchtern abprallen. "Ich glaube nicht, dass die Stadt darunter leidet, dass wir kein vielfältiges Angebot für die Bürgerbeteiligung haben", sagte SPD-Stadträtin Bettina Messinger. Zusätzlich würde dafür nun jeweils ein eigener Beauftragter in jedem Referat installiert. Dazu werde eine Checkliste für die Einbindung der Bürger verbindlich angewendet. Zudem wolle die Stadt im Internet eine eigene Beteiligungsplattform für die Bürger schaffen, diese allerdings erst 2020 beschließen.

Die Grünen forderten vergeblich eine schnellere Umsetzung und eine eigene Satzung mit klaren Leitlinien für die Bürgerbeteiligung. Dazu sollte eine Fachstelle mit eigenem Personal und zwei Millionen Euro jährlichem Budget kommen. Als Beispiel für eine gescheiterte Beteiligung nannte Roth die Einführung der sogenannten "SEM Nord", eines Verwaltungsakts, mit dem die Stadt die Immobilienpreise für neue Stadtviertel im Norden einfrieren wollte. OB Dieter Reiter (SPD) habe zu spät die Bürger direkt einbezogen, weshalb man diesen Beschluss wegen des Widerstands dort zurücknehmen musste, sagte Fraktionschef Roth.

Die geforderten einheitlichen Richtlinien bedeuteten zu viel Aufwand und seien zu teuer, heißt es in der Vorlage. Es werde stattdessen empfohlen, "auf die bisherigen Erfahrungen zurückzugreifen und die Verfahren weiter zu optimieren und mittelfristig auszubauen". Der Stadtrat beauftragte die Verwaltung bereits am 19. März 2014, Vorschläge für Mindeststandards dafür zu erarbeiten. Knapp fünf Jahre später kam die Antwort, die nun die Mehrheit im Stadtrat beschloss: "In der verwaltungsinternen Diskussion hat sich ergeben, dass aus Sicht der Verwaltung eine zusätzliche Formulierung von Mindeststandards im Sinne von operativen Mindestvorgaben nicht zielführend ist." Angesichts der vielen verschiedenen Beteiligungsverfahren sei ein einheitlicher Kanon kaum zu erarbeiten und umzusetzen.

Als Beleg dafür werden in der Vorlage die verschiedenen Möglichkeiten der Bürger, sich an politischen Entscheidungen in München zu beteiligen, ausführlich dargestellt. Insbesondere Planungs- und Baureferat würden die Bürger bereits sehr intensiv und gut einbinden. Dazu gebe es eine Bürgersprechstunde des Oberbürgermeisters, Bürgerbefragungen und auch Online-Petitionen, wofür "verschiedene freie Internetplattformen zur Verfügung" stünden. Würden solche eingereicht, würde sie der Stadtrat auch behandeln. Ob der Einreichende auch im Stadtrat sprechen dürfe, das will sich die Politik weiter vorbehalten. Man wolle verhindern, dass sich Rechtsextreme Rederecht im Stadtrat verschaffen könnten, sagte SPD-Stadträtin Messinger. An der Vielzahl der Verfahren zweifeln die Grünen nicht, ihnen ging es darum, dass die Bürgerbeteiligung bestmöglich und transparent durchgeführt wird. "Wir sehen keine Argumente, warum wir dafür nicht Leitlinien entwickeln sollen", sagte Fraktionschef Roth.

© SZ vom 13.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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