Stadtrat:Ein klares Ja zur Wiesn

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Die Stadt bleibt auf Oktoberfest-Kurs, 71 Prozent der Münchner sind dafür - und die Polizei rüstet sich.

Berthold Neff und Christian Rost

(SZ vom 20.9.2001) - Der Ältestenrat des Münchner Stadtrats hat sich gestern erneut dafür ausgesprochen, das Oktoberfest am Samstag zu starten. Lediglich Bürgermeister Hep Monatzeder, der dies schon in der Sitzung am Freitag abgelehnt hatte, stimmte dagegen.

Sicher ist sicher: Ein Arbeiter überprüft beim Wiesn-Fahrgeschäft "Top Spin" die Funktion der Glühbirnen. (Foto: Foto: Steffen Leiprecht)

Danach schloss sich ihm auch Stadtrat Bernhard Fricke (David contra Goliath) an. OB Christian Ude sagte, sollte sich die Sicherheitslage ändern, werde "die Sicherheit unserer Gäste bei allen Abwägungen Priorität haben". Ude kann sich bei seinem Kurs auf eine breite Mehrheit stützen. Einer SZ-Umfrage zufolge sind 71 Prozent der Münchner dafür, die Wiesn stattfinden zu lassen.

Außerordentliche Sitzung

Der Ältestenrat hatte sich auf Drängen von OB Christian Ude gestern um 12.30 Uhr zu einer außerordentlichen Sitzung getroffen. Auslöser dafür war eine Meldung der Nachrichtenagentur AP, in der davon die Rede ist, dass Bürgermeister Hep Monatzeder (Grüne) angesichts einer angekündigten zweiten Welle des Terrors in den USA und anderen Teilen der Welt in einem Dringlichkeitsantrag fordern wolle, die Wiesn abzusagen.

In der Sitzung stellte Monatzeder zwar klar, dass er nach wie vor für die Wiesn-Absage sei, von der Agentur aber verkürzt zitiert worden sei und keinen Antrag habe stellen wollen. Dennoch warf ihm Ude Teilnehmern zufolge "unsolidarisches Verhalten" vor. Monatzeder hatte sich auf einen AP-Bericht aus Washington bezogen, in dem es aus FBI-Kreisen heißt, eine neue Welle des Terrors könne die USA und Teile der Welt erfassen, wobei der 22. September eine bedeutende Rolle spielen werde.

Monatzeder sieht sich bestätigt

Bürgermeister Hep Monatzeder sah sich dadurch in seiner ablehnenden Haltung bestätigt ("Wir können dieses Risiko nicht eingehen"), doch die anderen Mitglieder des Ältestenrats blieben bei ihrer Position. Weil die Zeit drängte - für 13 Uhr war die Trauer- und Gedenksitzung des Stadtrats anberaumt - blieben einige Wortmeldungen unberücksichtigt.

Deshalb erläuterte Stadtrat Bernhard Fricke (DaCG) Ude anschließend in einem Brief, warum nun auch er für eine Wiesn-Absage ist.

Zwischen Ude und Monatzeder hat es danach ein Vier-Augen-Gespräch gegeben. Dabei hat Ude seinem Bürgermeister klar gemacht, dass auch dieser sich an die Absprache halten müsse, sich zuerst im Ältestenrat und nicht in der Öffentlichkeit zu äußern.

Ude sagte zur SZ, zurzeit gebe es den Sicherheitsbehörden zufolge "keinen Grund zur Absage". Er räumte aber ein, dass es eine absolute Sicherheit nicht gebe.

Die Stadt werde jedenfalls Kontakt mit den staatlichen Sicherheitsbehörden halten, die Sicherheitskräfte verstärken und bei einer Änderung der Lage sofort reagieren.

Der Ältestenrat wird sich noch in dieser Woche erneut treffen: vielleicht schon heute, sicher aber am Freitagnachmittag. Eine SZ-Umfrage ergab unterdessen, dass eine große Mehrheit der Münchner dafür ist, dass die Wiesn stattfindet.

Mehrheit der München für Wiesn

71 Prozent der vom Meinungsforschungsinstitut forsa befragten Münchner sprechen sich für die Wiesn aus, jeder vierte findet die Entscheidung des Stadtrats falsch. Unter den Männern ist die Zustimmung mit 76 Prozent etwas höher.

Angst vor Anschlägen groß

Gleichwohl ist die Angst vor Anschlägen groß. Seit Donnerstag meldeten besorgte Bürger in fünf Fällen der Polizei verdächtige Gegenstände, woraufhin Gebäude geräumt werden mussten.

Betroffen war der Hauptbahnhof und dort der Bahnsteig der U-Bahn-Linie 4/5. Auch in der Inneren Wiener Straße wurde am Samstag vorsorglich ein Gepäckstück kontrolliert. Alarm geschlagen haben erst gestern Mitarbeiter des Gasteig.

Der Inhalt eines verdächtig aussehenden Koffers stellte sich bei einer Überprüfung mit einem Suchhund aber als harmlos heraus, und die angesetzte Räumung des Gebäudes war nicht notwendig.

Video-Überwachung der Wiesn

Polizeipräsidium und Kreisverwaltungsreferat werden heute ihr verschärftes Sicherheitskonzept für die Wiesn vorstellen. Es sieht vor, weit mehr als die bislang vorgesehenen 220 Polizeibeamten (120 wurden dafür speziell geschult) auf der Theresienwiese einzusetzen.

Genaue Zahlen wurden vorab nicht bekannt, Schätzungen zufolge handelt es sich aber um wenigstens 100 Sicherheitskräfte zusätzlich, die das Bayerische Innenministerium zur Verfügung stellen will.

An den Eingängen zur Festwiese - auf der je nach Andrang zwischen 60 und 140 Beamte patroullieren - sollen Bereitschaftspolizisten Besucher kontrollieren.

Es sei bei rund 600.000 Gästen täglich aber nicht möglich, alle Personen zu kontrollieren, sagte der Sprecher des Polizeipräsidiums, Wolfgang Wenger.

Nach SZ-Informationen soll überdies ein Überflugverbot für die Theresienwiese verhängt und es sollen an neuralgischen Punkten wie den Eingangsbereichen Videokameras installiert werden.

Traum vom brennenden Riesenrad

Das Ordnungspersonal in den Zelten ist dazu angehalten, besonderes Augenmerk auf Gäste mit größeren Gepäckstücken zu legen.

Ein Mann, der wegen zweier verdächtiger Anrufe im Münchner Rathaus ins Visier der Polizei geriet, stellte sich als harmlos heraus. Der 67-jährige, ehemalige Schweißer aus München habe nach einem Traum, in dem zum Wiesnauftakt das Riesenrad brennt, nur warnen und nicht drohen wollen, hieß es. Gegen ihn wird nicht weiter ermittelt.

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