Stadtrat:"Die Bilder lassen uns nicht los"

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Trauersitzung des Stadtrates: Ude spricht vom Krieg und hofft auf Frieden.

Jan Bielicki

(SZ vom 20.9.2001) - Die Stadtspitze trug schwarz und Amtskette. Das Streichquartett der Münchner Philharmoniker spielte die Einleitung zu Joseph Haydns "Die sieben letzten Worte Jesu". Und die Stadträte schwiegen diesmal auf ihrer Vollversammlung im Saal des Alten Rathauses: Sie gedachten der fast 6000 Todesopfer der Terroranschläge in den USA.

"Die Bilder lassen uns nicht los", beschrieb Oberbürgermeister Christian Ude in seiner Ansprache die "maßlose Trauer begleitet von Ohnmachtsgefühlen, Ratlosigkeit und wohl auch Zorn", welche die Münchner nun fühlten.

Ude: "Keine neuen Gräben aufreissen"

Die Attacken seien eine "Kriegserklärung an die menschliche Gemeinschaft". Er verglich das tödliche Ausmaß der Terrorangriffe mit dem der Bombardierung Münchens im Zweiten Weltkriegs: Die 73 Bombenangriffe auf die Stadt hätten 6632 Opfer gefordert.

Das sei "die selbe Dimension", meinte Ude, "dieser Vergleich macht deutlich, dass wir uns wirklich in einer kriegerischen Auseinandersetzung befinden". Ude warnte jedoch vor einem "Kampf der Kulturen - nichts wäre verhängnisvoller, wenn jetzt solche Gräben aufgerissen würden".

"Brücken zu Muslimen schlagen"

Es sei "überlebenswichtig für unsere Stadtgesellschaft, Brücken zu schlagen". Die "überwältigende Mehrheit" der muslimischen Münchner "arbeitet friedlich und gesetzestreu". Der OB erinnerte an den Handschlag, den Charlotte Knobloch, Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, und Ahmet Al-Khalifa, Generalsekretär der Islamischen Gemeinde, ausgetauscht hatten: "Das sind die Symbole und Zeichen, die von München ausgehen sollen."

Er habe "keine Belehrungen auszusprechen", sagte Ude, äußerte aber "die Hoffnung, die Gegenwehr möge die Keimzellen des Terrors treffen" - und "nicht Unschuldige und die Spirale von Hass und Gewalt beschleunigen".

Dank an Amerika

Ausdrücklich begrüßte er die von der Regierung in Berlin beschlossenen Gesetzesverschärfungen: Das sei "kein Abbau des liberalen Rechtsstaates.

Ohne die Worte "Oktoberfest" oder "Wiesn" auszusprechen, ging Ude auch auf den Entschluss ein, das Volksfest nicht abzusagen: "Wer nicht feiern will, geht nicht vor Terroristen in die Knie. Wer am Münchner Brauchtum festhält, verhält sich nicht unsolidarisch zu den Vereinigten Staaten".

Den USA sprach Ude "tiefe Dankbarkeit" aus. Sie hätten München "vom todbringenden Terrorregime des Faschismus" befreit -"München schuldet den Amerikanern Dank".

"Münchner reagierten wie Menschen"

US-Generalkonsul Robert Boehme dankte seinerseits, die Münchner hätten auf die Anschläge "reagiert wie Menschen". Er sei "bewegt, dass wir hier in München so gute Freunde haben".

Das Ende der Trauersitzung klang Andante. Aus Wolfgang Amadeus Mozarts Dissonanzenquartett.

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