Stadtbibliothek:Bücher aus dem Automat

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Terminals statt Theken: Die Münchner Stadtbibliothek stellt als erste Bücherei Europas ihr gesamtes Ausleihsystem auf Automatik um.

Berthold Neff

Chips gegen steigende Kosten: Die Münchner Stadtbibliothek stellt ihr gesamtes Ausleihsystem auf Automatik um. Die Ausleih- und Rückgabetheken werden überflüssig, weil die Leser ihre Bücher an Ausleih- und Rückgabeterminals selber ausbuchen und zurückgeben können.

Eselsohren und Wasserflecken gehen künftig durch: Roboter können zählen, aber nicht sehen. (Foto: Foto: ddp)

Das neue System, von dem sich die Stadt eine Einsparung von jährlich knapp 1,5 Millionen Euro erhofft, ist in den Stadtteilbibliotheken Pasing und Waldtrudering bereits am 2. Januar gestartet. "Wir freuen uns, dass die Kunden mit dem System sehr gut zurechtkommen", sagte gestern Marianne Pohl, die bei der Stadtbibliothek das Projekt leitet. In Pasing wurden innerhalb von sechs Tagen 9633 Medien ausgeliehen und 8704 zurückgegeben - und zwar zu 95 Prozent über die neuen Terminals.

Das automatisierte Ausleihsystem stützt sich auf die Kommunikation zwischen einem passiven Chip, der im Buch oder im CD-Booklet eingeklebt ist, und dem Lesegerät, das auf der Frequenz von 13,56 MHz Radiowellen Richtung Antennenchip sendet.

Sie sind, schon aufgrund der anderen Frequenz und der geringen Reichweite von lediglich 45 Zentimetern, nur entfernt mit jenen Chips vergleichbar, die in Kaufhäusern die Waren sichern.

In der Fachwelt wird diese Technik als RFID (Radio Frequency Identification Service) bezeichnet. Die Schweizer Herstellerfirma Bibliotheca RFDI Systems AG aus Zug hat damit weltweit bereits 200 Bibliotheken ausgestattet.

Nächtliche Rückgabe

Die Münchner Stadtbibliothek ist jedoch die erste in Europa, die alle ihre Zweigstellen damit ausrüstet und dabei nicht nur die Ausleihe, sondern auch die Rückgabe abdeckt.

Für die Münchnerinnen und Münchner, die trotz der zum Jahreswechsel angehobenen Gebühren eifrig in die Büchereien strömen (fünf Millionen Besucher, zwölf Millionen ausgeliehene Medien pro Jahr), hält das neue System durchaus Vorteile parat. Sie werden ihre Bücher nicht wie bisher nur zu den Öffnungszeiten zurückgeben können, sondern im Gasteig beispielsweise von 7 bis 23 Uhr.

Davor allerdings heißt es warten, denn die Stadtbibliothek am Gasteig ist nur noch bis kommenden Freitag geöffnet. Danach wird zwei Wochen lang umgebaut, bis der Betrieb dann am 3. Februar wieder losgeht - an den neuen Automaten.

Eselsohren gehen durch

Dort werden die Mitarbeiter, die bisher mit Scannern an den Ausleih- und Rückgabetheken die Medien erfassten, den Bibliotheks-Nutzern mit Rat und Tat zur Seite stehen. Insgesamt werden durch die Automatisierung im Verlauf von fünf Jahren (2009 sollen alle 24 Stadtteilbibliotheken umgestellt sein) 29 Stellen wegfallen. Betriebsbedingte Kündigungen wird es nicht geben, der Abbau erfolgt durch Fluktuation.

Neu ist aber wohl auch, dass Eselsohren und Wasserflecken künftig kaum noch beanstandet werden. Die Roboter können zwar zählen, aber nicht sehen.

© SZ vom 12.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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