Staatsschutz ermittelt:Wirbel um Perlacher Wand

Lesezeit: 2 min

Polizei sucht Schmierer, Satiriker planen Mauerfall-Aktion

Die vier Meter hohe Schallschutzwand in Perlach ist in der Nacht auf Dienstag mit einem mehr als einem Meter hohen Schriftzug beschmiert worden. Auf der zu den Anwohnern zeigenden Seite stand in großen Lettern: "Rassismus pur" und "Gegen Grenzen". Auch der Zaun eines Nachbarn wurde von Unbekannten besprüht. Am Dienstag wurde der Schriftzug an der Wand mit Holzpaletten abgedeckt. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen, die Polizei fährt in der Gegend verstärkt Streife: "Wir haben dort ein Auge drauf", sagte ein Polizeisprecher. In unmittelbarer Umgebung wurden außerdem Sticker der sogenannten "Identitären Bewegung", einer rechten Gruppierung, mit einschlägigen Parolen gefunden.

Thomas Kauer, Chef des Bezirksausschusses Ramersdorf-Perlach, zeigte sich schockiert über die Schmierereien: "Die Debatte hat eine Dimension erreicht, die dem Sachverhalt nicht angemessen ist." Was seit vergangener Woche in Perlach abgehe, sei der "pure Wahnsinn". Ausgelöst von einem Video, in dem der Perlacher Stadtteilpolitiker Guido Bucholtz die Steinwand zwischen der Asylbewerberunterkunft an der Berghamer Straße und dem angrenzenden Wohnbaugebiet mithilfe einer Drohne gefilmt hat, ging in den sozialen Medien und Internetforen ein Sturm der Entrüstung los. Auch internationale Medien interessieren sich für die "Mauer von München", wie die Wand genannt wird. Kauer betonte, dass es sich um eine Lärmschutzmaßnahme handele, die sich noch im Rohbau befinde und später noch begrünt werden solle: "Man kann über die Gestaltung reden, aber doch bitte erst, wenn beide Anwohnerseiten dabei sind." Denn über den Kopf der 160 minderjährigen Flüchtlinge, für die die Unterkunft gedacht ist, hinweg zu entscheiden, das verstehe er nicht unter Integration, sagte Kauer. Sie sollen erst im März oder April nächsten Jahres einziehen.

Auch das Flüchtlingsprojekt Bellevue di Monaco um den Kleinkunstveranstalter Till Hofmann und Matthias Weinzierl vom Bayerischen Flüchtlingsrat beschäftigt sich auf satirische Weise mit dem Bau. "Wir werden anlässlich des Jahrestags des Berliner Mauerfalls am 9. November in Perlach den Checkpoint Ali aufbauen", so Hofmann, "da können dann zwischen 16 und 18 Uhr alle Perlacher ein- und ausreisen." Für Volkspolizisten und Grenzwachen sei gesorgt, und da Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch ohnehin in der Stadt sei, "könnte sie ja vielleicht gleich den neuen Grenzübergang eröffnen."

Oberbürgermeister Dieter Reiter wies alle Vergleiche mit der Berliner Mauer als überspitzt zurück. Die Stadt habe sich lediglich einem Vergleich vor Gericht gebeugt - die Alternative wären strikte Vorgaben der Richter oder aber der Verzicht auf den Bau der Flüchtlingsunterkunft gewesen. Das Problem mit Anwohnerklagen beschränke sich keineswegs nur auf Flüchtlinge. Es komme immer wieder vor, dass Nachbarn Lärmschutzwände an Kindertagesstätten einklagen.

© SZ vom 09.11.2016 / imei, fjk, dh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: