Staatsballett-Exodus:Unbekömmlicher Schwund

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"Exodus im Staatsballett" vom 25./26. Mai:

Nun ist die Katze aus dem Sack: 29 Tänzer verlassen das Bayerische Staatsballett. Für alle, die mit Ballett ein wenig vertraut sind, ist das Kommen und Gehen von Tänzern in einer Ballettcompagnie nichts ungewöhnliches, und schon gar nicht bei einem Wechsel des Ballettdirektors. Allerdings ist der Austausch von 29 Tänzern für eine Compagnie wie das Bayerische Staatsballett schon eine recht hohe Zahl, die nicht ohne Folgen bleiben dürfte, selbst wenn der neue Ballettdirektor Igor Zelensky 29 neue Tänzer zu Beginn der Spielzeit 2016/17 nach München bringt. Damit eine Balletttruppe zu einer exzellenten Compagnie wie dem Bayerischen Staatsballett reifen kann, braucht es Zeit, genügend finanzielle Ausstattung, gute Tänzer, fähige Ballettmeister und Ballettdramaturgen sowie eine intelligente Ballettdirektion. All diese Bedingungen haben das Bayerische Staatsballett unter Ivan Liška zu der renommierten Compagnie gemacht, die sie heute ist, und ihr seinen international guten Ruf beschert

Mit dem Weggang von Ivan Liška und von 29 Tänzern der Compagnie steht dieser Ruf über Nacht auf dem Spiel. Liška hat seine Tänzer entwickelt, ihnen die passenden Rollen gegeben und das Beste aus ihnen herausgeholt. Und, das ist zumindest mein Eindruck, er hat ein Gespür dafür, wie man mit Menschen umgeht, was ihn umso sympathischer macht.

Der Weggang von 29 Tänzern schmerzt: Eine Kunstform wie das Ballett ist viel zu sensibel, als dass man Tänzer in solch hoher Zahl beliebig austauschen kann. Tänzer, die gehen, hinterlassen Lücken, nicht nur in einer Compagnie, die in 18 Jahren auch zusammenwächst. Mit jedem Tänzer der geht, verliert eine Compagnie aber nicht nur Tänzer, die als solche auch wertvolle "Botschafter" ihrer Truppe sind, sie verliert auch etwas von ihrem Repertoire. Für Meisterwerke wie "Romeo und Julia" oder "Giselle", die fast jede größere Compagnie im Repertoire hat, mag man denn diesen Verlust noch irgendwie auffangen. Nicht zufällig hat Zelensky "Romeo und Julia" und "Giselle" in der neuen Spielzeit zurück auf den Spielplan geholt. Für moderne Stücke oder Werke wie zum Beispiel "Paquita", die eben nicht auf jedem Spielplan stehen und die eine Compagnie zusammen mit Dramaturgen, Choreografen, Tanzhistorikern, Musikwissenschaftlern mühevoll über Jahre erarbeitet haben, gilt das nicht unbedingt. Denn das Bayerische Staatsballett zeichnet bis zum heutigen Tag vor allem eines aus: sein riesiges Repertoire, das mit mehr als 80 Werken eben nicht nur aus den russischen Klassikern besteht.

Das Niveau des Staatsballetts zu halten, dürfte nicht ganz einfach werden, vor allem, da Zelensky weiterhin das Ballett des Stanislawski- und Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheaters in Moskau leiten wird. Eine ähnliche Situation hat das Ballett in München unter Cranko schon einmal erlebt. Bekommen ist es ihm nicht. Nicole Gryzewski, Unterhaching

© SZ vom 30.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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