Sportfreunde Stiller:Jedermanns Lieblinge

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Naiv und rauschhaft ist die neue CD. Die "Sportfreunde Stiller" haben die Platte nun in München vorgestellt.

Sebastian Gierke

Die Münchner Superstars sitzen um zehn Uhr morgens in einem Hinterhofcafé an der Sonnenstraße. Peter S. Brugger, Florian Weber und Rüdiger Linhof. Vor sich: einen langen Interviewtag. Hinter sich: einen langen Konzertabend.

(Foto: Foto: oh)

Schlechte Voraussetzungen für ein gutes Gespräch. Nicht aber bei den Sportfreunden Stiller, während der Weltmeisterschaft vor einem Jahr die bandgewordene gute Laune Deutschlands und seitdem, fast, jedermanns Lieblinge. Die Sportfreunde sind freundlich und menschenlieb durch das Kraftfutter des Erfolgs.

Es wird geflachst. Linhof: "Ich hab' gestern nur drei, vier Bier getrunken." Weber: "Und danach: noch drei, vier." Bei einigen Antworten gibt es Szenenapplaus vom Bandkollegen. Weber: "Das Wichtigste an der WM war doch, dass wir Deutsche mit anderen Völkern einen Multikulti-Moshpit aufgemacht haben." Brugger: "Hey! Du am frühen Morgen: Voll da!" Weber: "Ruf mich an um vier Uhr nachts und ich erklär' Dir die Welt!"

Linhof wird sauer, als das Gespräch auf den G-8-Gipfel und die seiner Meinung nach "zu boulevardeske Berichterstattung" darüber kommt. Ein ernsthafter Monolog über einige der drängendsten Probleme der Welt folgt.

Auch der Auftritt vom Vorabend und die auf der Bühne gefallenen Sprüche, einige an der Grenze des guten Geschmacks, werden noch einmal thematisiert. Es geht um den Zusammenhang zwischen Geschlechtsverkehr und Haarausfall. Und dann sagt Brugger: "Wir waren ganz schön nervös gestern."

Wie bitte? In der Münchner Olympiahalle vor zehntausend und auf der Fanmeile in Berlin vor hunderttausend Menschen Triumphe feiern, und dann das große Zittern bekommen wegen eines Konzerts im vergleichsweise winzigen Backstage-Club?

Knapp 300 durften rein, darunter viele Journalisten, um sich einen ersten Höreindruck des fünften Sportfreunde-Albums "La Bum" zu verschaffen, das Anfang August erscheint. "Ja, denn bei jeder neuen Platte geht es für uns wieder von vorne los", sagt Brugger. "Man geht nicht automatisch davon aus, dass die Leute - Hurra die Gams - unsere Sachen sowieso fressen. Da sind immer Zweifel."

Beim Konzert verfliegen die schnell. Das Trio aus Germering ist auf der Bühne ganz bei sich. Der sprichwörtliche Funke rast durch das Publikum. Die Sportfreunde sind eine der besten, wenn nicht die beste Live-Band Deutschlands. Sie schaffen es, ihren inneren Energieüberschuss auf die Musik und das Publikum umzuleiten. Dazu müssen sie nicht die besten Musiker sein, weil sie die besten Unterhalter sind.

Brugger erklettert die Balustrade, springt aus einigen Metern Höhe herunter, lässt sich auffangen. Die üblichen Frotzeleien über Fußball dürfen nicht fehlen. Immer wieder Sprechchöre aus dem Publikum. Auch die neuen Lieder werden frenetisch gefeiert. Dabei hat am Sound, zumindest das lässt sich nach einmaligem Hören sagen, nichts grundlegend geändert: Gitarren-Schrammel-Pop, naiv und rauschhaft. Wenig überraschend.

Gerade die musikalische Naivität muss jedoch als Zeichen von Genialität verstanden werden. Und, ja, eine etwas nachdenklichere Stimmung zieht sich durch die neuen Songs. "Es ist eine melancholischere, sehnsüchtigere Ebene drin", sagt Brugger.

"Damit wollen wir uns von diesem Fanmeilen-Hype ein wenig absetzen. Aber wir mögen unsere Musik so, wie sie ist. Und die war schon immer einfach, fröhlich und euphorisch - mit grüblerischen Momenten."

Der dumpfe Dauergrinser Florian Silbereisen hat das Volksmusik genannt. Und viele Popafficionados werden wieder "langweilig" schreien, der Band monotone Ruhelosigkeit und Stagnation vorwerfen, sich als Kassandra-Rufer produzieren. Doch bis in die Olympiahalle, die die Sportfreunde und ihre Fans am 1. Oktober einreißen, werden diese Klagen, gottlob, nicht vordringen.

© SZ vom 25.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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