Volleyball:Die Schleife fehlt

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Erstligist Herrsching hat unter merkwürdigen Bedingungen die beste Hinrunde seiner Vereinsgeschichte gespielt - und plant nun zusätzliches Training gegen den Winter-Blues.

Von Katrin Freiburghaus, Herrsching

Trainer Max Hauser versuchte seine Spieler zu unterstützen, es half nichts, Herrsching unterlag Berlin klar. (Foto: Oryk HAIST/imago images/Oryk HAIST)

Vor langer Zeit, irgendwann im Sommer, als die Corona-Zahlen in den Keller gesackt waren, hatten die WWK Volleys die Partie gegen den deutschen Meister Berlin mal als Spiel des Jahres geplant. Was davon am vergangenen Sonntag übrig blieb, war das, worauf die komplette Volleyball-Bundesliga in dieser Saison zurückgeworfen wurde: ein sportlicher Wettkampf bar jeder Eventverpackung und Glitzerschleifen. Diese Verpackung fehlt. Nicht nur in finanzieller Hinsicht, weil die Hallen leer sind und keine Zuschauereinnahmen generiert werden, sie fehlt in Spielen wie dem 0:3 (23:25, 25:27, 22:25) der Herrschinger gegen Berlin auch den Spielern auf dem Feld.

Es war durchaus laut in der Halle. Der Hallensprecher in seiner Paraderolle als König vom Ammersee tat, was er konnte, doch seine Krone funkelte einsam hinter der LED-Bande. Herrschings Libero Ferdinand Tille fasste die seltsam gedrosselte Stimmung auf dem Feld gut zusammen, als er sagte: "Es war allgemein komisch, es hat sich nicht angefühlt wie ein Spiel." Vor mehreren 1000 Zuschauern im Audi Dome, wo Herrsching bislang lediglich ein Testspiel absolvierte, "hätte das wesentlich anders ausgeschaut", mutmaßte er. Sehr wahrscheinlich auch vor den gewohnten 1000 in der Nikolaushalle. Berlin, sagte Tille, hätte dann wohl ebenfalls deutlich besser gespielt. In jedem Fall hätte die Partie aber jene Verpackung gehabt, um die in Herrsching und in der kompletten Liga seit Jahren gerungen wird.

Die Vereine investieren Zeit und Geld in Konzepte, um das Produkt Volleyball besser am Markt zu platzieren und endlich den ersehnten Liga-Sponsor zu bekommen. Derzeit finden Herrschings Spiele jedoch im Internet-Stream statt - laut Herrschings Trainer Max Hauser immerhin vor bis zu 10000 Zuschauern. Aber ein guter Ersatz ist es nicht, wenn eine Kamera stumm leere Sitze oder Holzvertäfelungen abfilmt. Die Zuschauer kommen seit dieser Saison in den Genuss von Kommentatoren, den Spielern aber nützt das nichts. Hauser sieht deshalb auch sportliche Nachteile. "Gerade wenn man zu Hause einen Goliath schlagen will, zwingen laute Zuschauer den Gegner manchmal zu den ein, zwei Fehlern mehr. Und dann ist man plötzlich im Tie-Break", sagte der 36-Jährige.

Pech im Dezember: Herrschings Libero Ferdinand Tille ist fassungslos. (Foto: Oryk Haist/imago images)

Dass Herrsching gegen Berlin dennoch die stärkste Erstliga-Hinrunde seiner Vereinsgeschichte auf Platz vier beendete, kam bei der gedämpften Stimmungslage fast ein wenig zu kurz. Aber verfrühte Lorbeeren sind ohnehin nicht Hausers Sache. "Mit Genießen hab ich immer meine Probleme, wenn eine Saison noch läuft. Es ist ja nichts zu Ende, sondern erst die Hälfte"" befand er, "wenn man da anfängt, irgendwas zu genießen, geht es in der Rückrunde steil nach unten."

Entsprechend gelegen käme ihm die für den Tag vor Heiligabend angesetzte Begegnung gegen Giesen. Nach einem Corona-Fall im Umfeld der Mannschaft steht die finale Zusage für die Partie jedoch noch aus, Giesens Spiel in Königs Wusterhausen am Wochenende war vorsichtshalber abgesagt worden. Das Team wurde am Montag erneut komplett durchgetestet, die Ergebnisse und deren Beurteilung durch die bayerischen Gesundheitsbehörden lagen noch nicht vor.

"Ich kann meine ausländischen Spieler, die hier mehr oder weniger festsitzen, nicht hängen lassen", sagt Trainer Hauser

Unabhängig davon, ob das letzte Spiel des Jahres schon gespielt ist oder noch aussteht, kündigte Hauser für die anschließende Pause freiwilliges Training an. Das nächste Pflichtspiel findet am 13. Januar in Friedrichshafen statt, aber er könne "meine ausländischen Spieler, die hier mehr oder weniger festsitzen, nicht hängen lassen", sagte Hauser. Während deutsche Spieler zu Hause oder bei Familienmitgliedern feiern, befinden sie sich über die Feiertage quasi in sozialer Isolation.

Hauser kündigte an, sich "mit dem einen oder anderen zu treffen und ein bisschen Musik zu machen". Er sieht den Klub in der Verantwortung, "etwas anzubieten, damit die nicht durchdrehen". Diese Form der Aufmerksamkeit braucht nicht mal eine Schleife.

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