Schwimmen:Steigerung um sechs Sekunden

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Gold-Schwimmer Vogel verpasst Biedermanns Rekord nur knapp

Von sebastian winter, Wuppertal/München

Florian Vogel entspannte sich am Donnerstagmittag in seinem Hotelzimmer. Er brauchte die Ruhe. Der Vortag war anstrengend gewesen, gleich zum Auftakt der Kurzbahn-DM in Wuppertal hatte Vogel die lange, zehrende 800-Meter-Freistil-Strecke bewältigt, am Abend folgte noch ein Abschlussgespräch mit der Nationalmannschaft zur vergangenen EM im Sommer. Die Trainer durften ihm schon vor dem Treffen gratulieren. Denn Vogel war nachmittags allen davongeschwommen. In 7:35,76 Minuten schlug er an - nur 53 Hundertstel war er langsamer als Paul Biedermann bei dessen deutschem Rekord vor sechs Jahren. Allerdings steckte Biedermann damals in einem dieser umstrittenen Hightech-Anzüge, mit deren Hilfe die Rekorde nur so purzelten.

Für Vogel, den 20-jährigen Schwimmer der SG Stadtwerke München, ist es der erste DM-Titel, zwar "nur" auf der kurzen 25-Meter-Bahn, aber immerhin. Dass Biedermann fehlte, schmälert nicht Vogels überraschende Leistung. Am Samstag noch hatte er Magen-Darm-Probleme, konnte kaum trainieren. Nun ließ er den Olympiateilnehmer Clemens Rapp und den deutschen 800-Meter-Meister auf der Langbahn, Sören Meißner, hinter sich. Sie staunten wohl am meisten über seine Zeit: 7:35,76 Minuten, sechs Sekunden schneller als sein bisheriger Bestwert. Zwischen seiner aktuellen Leistung und jener aus dem Jahr 2012 liegen mehr als 20 Sekunden. "Ich war selber ein bisschen perplex. Während des Rennens dachte ich eher, bei 7:40 Minuten zu landen", sagte Vogel im Hotelzimmer: "Ich habe ein paar Minuten gebraucht, um das zu realisieren." Auch die Tragweite dieses Erfolges ist Vogel erst nach und nach bewusst geworden. Er ist der erste männliche Einzel-DM-Sieger aus München seit Christian Tröger, der 2000 den Titel über 100 Meter Freistil gewann.

"Ich war ein bisschen perplex": Florian Vogel, Modellathlet und neuerdings deutscher Meister über 800 Meter Freistil. (Foto: imago)

Dabei hatte Vogel das Schwimmen schon fast aufgegeben, denn in seiner Heimat Bayreuth hatte er keine adäquate Trainingskonkurrenz mehr. Erst ein Wechsel nach Erlangen motivierte ihn neu, dort gelang Vogel unter Trainer Roland Böller ein Entwicklungsschub. Der Umzug nach München zur SG brachte den nächsten Karriereschritt. Vogel, der in Bayreuth die Mittlere Reife gemacht hat, erhöhte sein Training auf derzeit neun wöchentliche Einheiten plus dreimal Krafttraining, in seiner Gruppe tummeln sich Talente, die in die nationale Spitze streben - oder es schon sind, wie Alexandra Wenk. Ganz nebenbei besuchte Vogel noch das Isarsport-Gymnasium und machte dieses Jahr sein Abitur. Mittlerweile hat er ein Bauingenieur-Studium aufgenommen und wohnt in einem Bungalow im Olympiadorf. Ein paar hundert Meter sind es von dort mit dem Fahrrad zum Training. Die erhöhten Umfänge, das Technik- und Athletiktraining, das Wohlfühl-Ambiente: all dies zahlt sich mittlerweile aus.

Bei der Langbahn-DM im Mai deutete sich Vogels Leistungssprung schon an, auf den 800 Metern blieb er erstmals unter acht Minuten. Bei der EM verpasste er den Endlauf nur knapp. Jetzt möchte sich Vogel unbedingt für die Kurzbahn-WM qualifizieren - wie auch Wenk, die zwar am Donnerstag Erste über 50 Meter Schmetterling und Zweite über 100 Meter Freistil wurde, aber die Norm jeweils nicht knackte. Vogels 800-Meter-Strecke wird bei der WM in Doha nicht angeboten, über 200 Meter Freistil wurde er in Wuppertal nur Siebter, doch die Paradestrecken Vogels kommen noch: die 1500 Meter am Freitag und die 400 Meter am Samstag. "Die Norm ist machbar", sagt Vogel. Er wird sich wieder mit Rap oder Hip-Hop vorbereiten, "was einen pusht". Am Samstag hat er seine Motivationshilfe direkt neben sich im Wasser: Paul Biedermann.

© SZ vom 21.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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