Rudern:Medaillen vom Minister

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"Bundesweit ein Vorbild": Die RGt München dominiert die bayerischen Meisterschaften - für den Klub die Folge seiner intensiven Jugendarbeit. Der Zustand der Olympiaregattastrecke dagegen ist alles andere als zukunftsträchtig.

Von Julian Ignatowitsch, München

Samstag, 16.40 Uhr, 30 Grad im Schatten: Der bayerische Innenminister hat nasse Füße. Joachim Herrmann steht auf einem kleinen Steg neben dem Zielturm an der Olympiaregattaanlage in Oberschleißheim und wartet auf das Siegerpärchen aus Rennen 136. Das Wasser schwappt bereits über die schwimmende Holzvorrichtung. Sein Jackett hat Herrmann abgelegt; Hemd, Krawatte, Anzughose und Lackschuhe hat er angelassen, Letztere wurden nun feucht; gleich soll er als Schirmherr der bayerischen Rudermeisterschaften die Siegerehrung vornehmen.

Doch Julia Tuschl und Luisa Birker lassen sich Zeit. Die beiden Mädchen, 13 und 14 Jahre alt, vom Donau RC Deggendorf waren nach ihrem Sieglauf im Zweier über 1000 Meter noch einmal umgekehrt. "Die fahren aus und wissen gar nicht, dass der Innenminister auf sie wartet", ließ ein Elternteil - halb erschrocken, halb amüsiert über so viel jugendlichen Obrigkeitsungehorsam - verlauten. "Aber sie haben sich richtig durchgebissen."

Mit roten Backen nahmen die beiden Siegerinnen ihre Medaillen schließlich doch noch entgegen. Herrmann lächelte freundlich, sagte "tolle Leistung!", die Eltern machten Fotos. Überhaupt waren an diesem Wochenende zahlreiche Jugendliche auf der Anlage unterwegs - und das mehrheitlich nicht zum Sonnenbaden, sondern zum Sporttreiben. Von 99 Rennen wurden 69 in der Schüler- und Junioren-Klasse ausgetragen. Damit waren fast 350 der gut 500 Athleten am Start jünger als 19 Jahre. Die meisten kamen von der Rudergesellschaft München 1972 (RGM), und dementsprechend hatte die RGM an diesem Wochenende auch meistens die Nase vorne. Julia und Luisa waren die Ausnahme. "Die Zahlen sind das Ergebnis unserer intensiven Jugendarbeit", sagt Willi Bock von der RGM. Gut 120 Talente, die von neun Betreuern trainiert werden, sitzen bei dem Verein aktuell regelmäßig im Boot. "Wir sind in dieser Hinsicht bundesweit ein Vorbild", sagt Bock. Die sportlichen Resultate geben ihm Recht.

In der Gesamtwertung des bayerischen Jugendpokals landete die RGM mit 654 Punkten zum dritten Mal hintereinander auf dem ersten Platz und ließ den ARC Würzburg (246) und den Münchener Ruder- und Segelverein "Bayern" (MRSV, 204) klar hinter sich. Es war damit in erster Linie der Verdienst der Jungen, dass die RGM auch im Kampf um den Bayerischen Löwen, den Wanderpreis für den erfolgreichsten bayerischen Verein, wie 2013 ganz vorne lag. Mit 1392 Punkten war der Vorsprung auf den Münchner Ruderclub (MRC, 839 Punkte) "deutlicher als erwartet", wie Bock es zusammenfasste. Auch bei der Anzahl der Rennsiege war die RGM mit 19 Spitze. Nur beim Audi-Pokal, dem Preis für die beste Mannschaft im Männer/Frauen-Bereich, lag der MRC vorne. Was auch daran liegt, dass in der Erwachsenenklasse Ruderer aus ganz Deutschland fahren, die irgendwann nach München gezogen sind.

Der Nachwuchs legt sich in die Riemen: im Bild der Junioren-Achter des Münchener Ruder- und Segelvereins "Bayern". (Foto: Claus Schunk)

So oder so, die Zukunft scheint der Rudergemeinschaft zu gehören. Erst vor drei Wochen hat seit langer Zeit wieder ein Münchner Junior Gold bei den deutschen Jugendmeisterschaften geholt: Maximilian Gronau im Leichtgewicht-Doppelvierer. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt, im Münchner Rudersport. Ganz im Gegenteil. Die Olympiaanlage ist schwer sanierungsbedürftig. Seit 1972 ist hier kaum etwas gemacht worden.

Zunächst waren Bund und Land noch finanziell an der Instandhaltung beteiligt, ehe beide ausstiegen und den großen Wassergraben samt Sportzentrum mehr oder weniger sich selbst und der Stadt überließen. "Es gäbe viel zu tun", sagte der Präsident des Bayerischen Ruderverbands Thomas Stamm: "Stichwort Energieeffizienz". Zudem müssten Unterkunft- und Speiseräume dringend ausgebaut werden. Wenn das Leistungszentrum seinen Platz als internationaler Sport-, Trainings- und Veranstaltungsort behalten respektive wiedererlangen möchte, ist die Sanierung unumgänglich. Das hat Stamm wohl auch dem Innenminister erzählt.

Kurz nach der Siegerehrung zog er sich mit Herrmann, einigen Stadträten sowie Münchens scheidendem Sportamtsleiter Thomas Urban zu Gesprächen zurück. Es gibt viel zu bereden. Im Oktober soll der Stadtrat beschließen, wie es mit der Anlage weitergeht. Die bayerischen Rudersportler werden hoffen, dass die Politiker dann keine kalten Füße bekommen.

© SZ vom 22.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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