Poing:Kind und Kegel

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Leistungssport im familiären Ambiente: Der SKK Poing startet mit vier Siegen in die erste Bundesliga

Von Michael Fischer, Poing

Sandra Loncarevic steht konzentriert auf der ersten von vier Bahnen im Keller des Poinger Sportzentrums. Sie nimmt eine Kugel, schnauft kurz durch und läuft los. Wenige Sekunden später fallen knapp 20 Meter entfernt sieben Kegel. Neun wären optimal gewesen. Während Loncarevic mit einem zweiten Schub den Makel beseitigt, plaudern hinter ihr etwa zehn Mütter bei Kaffee und Kuchen, die meisten sind ehemalige Spielerinnen. Der Geräuschpegel ist hoch, "aber das macht das Familiäre in unserem Verein aus", sagt Vorstand Erwin Zimmermann, 69. Vorbereitung für die Bundesliga und Kaffeekränzchen - das Klischee vom Altherrensport findet in Poing jedenfalls keine Bestätigung.

Der Altersdurchschnitt des achtköpfigen Bundesligateams liegt bei knapp 30 Jahren, die Jüngste ist erst 21. Nach elf Aufstiegen in den letzten 15 Jahren spielen die Sportkeglerinnen des Klubs im zweiten Jahr in der ersten Bundesliga. Zum Auftakt gewann Poing alle vier Partien, erst am vergangenen Wochenende gab es eine knappe Niederlage beim KC Schrezheim. Der größte Erfolg der Vereinsgeschichte datiert aber schon aus dem Jahr 2007: Mit dem Einzug ins deutsche Pokalfinale hatte sich der SKK für die Champions League qualifiziert. 24 Stunden einfache Wegstrecke waren es per abenteuerlicher Zugfahrt zum rumänischen Topklub aus Targu Mures, dort war erwartungsgemäß Schluss.

Viele der Sportlerinnen sind in den vergangenen Jahren Mutter geworden, der Bindung zum Klub hat das keinen Abbruch getan. Auch Sandra Loncarevic hat mittlerweile einen zweijährigen Sohn, dennoch fährt sie jede Woche aus Ingolstadt in den Landkreis Ebersberg, um zu kegeln. Seit mehr als 20 Jahren ist sie aktiv, hat bei der Weltmeisterschaft 2007 mit der Nationalmannschaft Bronze gewonnen und lange für Ingolstadt in der ersten Liga gespielt. Bis Erwin Zimmermann sie vor drei Jahren nach Poing lotste. Den Schritt bereut die 36-Jährige nicht, im Gegenteil: "Die Mannschaft und das Umfeld sind ein Traum, das Gesamtkonzept Poing ist einfach toll", sagt sie. Zwischen den Spielerinnen herrsche ein sehr harmonisches Verhältnis, der Zusammenhalt sei enorm.

Des Weiteren betreibt der Verein, anders als die meisten Kegelklubs, eine ausgeprägte Jugendarbeit, die sogar schon in den Schulen ansetzt und die Kinder ans Kegeln heranführen soll. Ein wichtiger Baustein ist aber auch Ingrid Eichler, 61, die Trainerin, deren sportliche Vita einige Stationen bei Erstligisten auflistet. Der Bayerische Sportkegler- und Bowlingverband zeichnete sie 2013 als "Trainerin des Jahres" aus. Seit Beginn der vergangenen Saison ist Eichler beim SKK und scheint nun ein erfolgreiches Team geformt zu haben, das unter anderem mit Loncarevic und den Nationalspielerinnen Martina Hanikel (Deutschland) und Andrea Pichler (Österreich) hochkarätig besetzt ist. Auch die Allgäuerin Eichler kam durch Erwin Zimmermann, den Vater des Erfolges, nach Poing.

"Das Umfeld ist ein Traum": Sandra Loncarevic fährt seit drei Jahren jede Woche aus Ingolstadt in den Ebersberger Landkreis zum Training. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Viele Jahre spielte der Rentner für Bavaria Pasing München in der zweiten Bundesliga, war Sportdirektor des Deutschen Kegler- und Bowlingbunds und kam 1996 zurück in seine Heimatgemeinde, als dort die ersten Kegelbahnen gebaut wurden. Zwei Jahre später entstand der Verein. Einmal wöchentlich schult er seine Schützlinge in spieltaktischem Verhalten. "Man muss die Spielerinnen etwa darauf einstellen, wie man sich in bestimmten Situationen verhält", sagt er. Die zweite Einheit der Woche leitet Eichler. Sie soll vor allem Technik und Bewegungsabläufe verbessern.

Sechs Mannschaften und die Jugend sind im Trainingsbetrieb schwer unterzubringen, deshalb - und weil die Spielerinnen zu unterschiedlichen Zeiten aus der Arbeit kommen -, wird in Schichten trainiert. Die Aktiven gehen zudem regelmäßig ins Fitness-Studio, doch dabei ist Vorsicht geboten, erklärt Eichler, "die Bewegungsfähigkeit leidet unter zu viel Kraft". Neben der körperlichen Fitness ist beim Kegeln aber auch die geistige von Belang. Jede Spielerin hat pro Partie viermal 30 Wurf, davon je 15 auf die Vollen und 15 beim Abräumen. Während zuvor die Ergebnisse aller Spielerinnen einer Mannschaft addiert und mit der gegnerischen Summe verglichen wurden, werden nun nicht mehr nur die erzielten Kegel, sondern auch die einzelnen Duelle, sechs an der Zahl, gewertet. Für das bessere Mannschaftsergebnis gibt es zusätzlich zwei Zähler. Diese 2003 beschlosse Änderung garantiert mehr Spannung, weil in jedem Durchgang Punkte verteilt werden.

120 Keglerinnen und Kegler sind beim SKK Poing aktiv, darunter stolze 75 Jugendliche - eine Folge der engagierten Jugendarbeit. Vor der Zukunft muss dem Verein also nicht bange sein. "Das Schöne für einen jungen Menschen ist doch, neben einer Nationalspielerin trainieren und von ihr lernen zu können", sagt Zimmermann. Auch neben einer ehemaligen wie Sandra Loncarevic.

© SZ vom 23.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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