FC Bayern München:Früh reif

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Noch vor dem Ende seiner Schullaufbahn steht Alexander Blessig, 17, am Anfang einer Karriere als Profi-Basketballer.

David Stephan

Basketballern begegnen ja jede Menge Klischees, vor allem, was ihre optische Erscheinung betrifft. Nimmt man das gängigste Bild, ist ein durchschnittlicher Basketballer mindestens 2,10 Meter groß, am ganzen Körper tätowiert und trägt gigantische Turnschuhe zu Schlabberhosen unter dem Kapuzenpulli. Alexander Blessig, Profi-Basketballer beim FC Bayern, will sich in dieses Bild nicht so recht fügen: Der 17-Jährige trägt ein gebügeltes Hemd, eine gerade geschnittene Jeans, die Haare sind adrett frisiert. Sein Wollpullover fällt ebenso auf wie seine ruhige, bedachte Art zu sprechen. Nicht einmal seine Körpergröße wirkt exzentrisch: Blessig begnügt sich mit vergleichsweise bescheidenen 185 Zentimetern. Sogar die Pisakrise scheint an Alexander Blessig spurlos vorübergegangen zu sein; die Allgemeine Hochschulreife wird er, wenn nichts Unerwartetes passiert, mindestens mit der Note 1,7 erwerben. Beachtlich ist das vor allem, weil der Abiturient viel Zeit in seine Karriere als Leistungssportler investiert. Seine sportliche Reifeprüfung wird er - wenn nichts Unerwartetes passiert - nächste Saison in der ersten Bundesliga ablegen können. Bis dahin steht der Schulabschluss an erster Stelle.

"Planbar ist nichts": Der Aufstieg von Alexander Blessig, hier beim 89:55 des FC Bayern gegen Hannover, hat niemand mehr überrascht als Alexander Blessig selbst. Mit Nationalspielern und Profis, die er nur aus dem Fernsehen kannte, am selben Tisch zu sitzen, sei für ihn "am Anfang schon komisch" gewesen. (Foto: Rauchensteiner)

Seine Prioritätenliste hat nichts mit mangelndem sportlichen Ehrgeiz zu tun. Im Gegenteil: Die Frage, wie man denn in zwei Mannschaften spielen und gleichzeitig seine Schule so gut abschließen könne, korrigiert Blessig selbstbewusst. Er spiele "in drei Mannschaften und nicht in zwei": außer beim Nachwuchs des FCBayern in der NBBL und bei den Profis in der ProA schließlich auch noch in der zweiten Mannschaft in der 2.Regionalliga. Überhaupt sei das alles nicht so schwierig unter einen Hut zu bekommen. Prioritäten setzen heißt für Blessig: Morgens Schule, nachmittags Hausaufgaben erledigen und für Klausuren büffeln, um sich danach voll und ganz seiner Leidenschaft, dem Basketball, widmen zu können. Alles andere, was Altersgenossen in ihrer Freizeit sonst so interessiert, schiebt er beiseite. Selbst die eine oder andere Beziehung hat dafür geopfert, wenn die Partnerin nicht verstehen konnte, wieso er Tag für Tag lernen und anschließend auch noch trainieren müsse.

Vor der Zeitenwende, also vor der Reform der Basketballabteilung des FCBayern, wäre der Aufstieg eines vereinseigenen Nachwuchsspielers in den Profikader kaum erwähnenswert gewesen. Doch nun investiert der Klub Millionen in Nationalspieler und andere gestandene Größen. So stehen neben Blessig Spieler wie Steffen Hamann, Demond Greene, Robert Garrett oder Darius Hall im Kader. Dass in dieser Situation auch ein Spieler aus der eigenen Jugend regelmäßig Einsatzzeiten bei den Profis bekommt, ist bemerkenswert. "Auch für mich", sagt Blessig, "war es eine riesige Überraschung. "Am Anfang war es schon komisch, als ich mit Spielern wie Steffen oder Demond, die ich nur aus dem Fernsehen kannte, am Tisch saß." Dabei begann sein Aufstieg eher zufällig.

In Berlin, wo er vor seinem Umzug lebte, spielte er ein wenig Tennis und Tischtennis und fuhr gelegentlich Skateboard. Mit dem Basketball begann er erst in München. Seine neuen Freunde erkannten sein Talent und schleiften ihn eines Tages mit zum Probetraining des FC Bayern. Von da an ging es schnell: Die Begabung des damals 12-Jährigen wurde vom Verein so intensiv gefördert, dass er bereits mit 14 im NBBL-Team des FC Bayern spielte. Am Ende seiner ersten Saison setzte Blessig sich bei der Wahl zum "Most Valuable Rookie" - dem "wertvollsten Neuling" - gegen 19-Jährige durch und erhielt eine Berufung in die U16-Nationalmannschaft. "Zu dem Zeitpunkt realisierte ich das erste Mal, dass mein Wunsch, Profi zu werden, wahr werden könnte", sagt Blessig mit leuchtenden Augen.

Was die ganz große Karriere angeht, bleibt der junge Mann vorläufig skeptisch: "Planbar ist das nicht. Man muss jetzt erst mal abwarten, wie sich das so entwickelt." Was Blessig hingegen planen kann, ist sein Wirtschaftsstudium, das er - vermutlich gleichzeitig mit seinen ersten Einsätzen in der Basketballbundesliga - anfangen wird. "Ob er das parallel zum Basketball durchziehen kann, bleibt abzuwarten", sagt sein Trainer Bertholt Bisselik. Blessig aber ist sich sicher. Ein Studienabschluss sei für ihn "völlig selbstverständlich". Selbst wenn er als Sportler Erfolg haben sollte, könne eine Verletzung jederzeit die Karriere beenden.

Vielleicht ist dies die größte Stärke des 17-Jährigen: seine Fähigkeit, zu reflektieren. Fast schon beruhigend klingt da Blessigs Bekenntnis, dass auch er "ab und zu keinen Bock" habe zu trainieren und im Sommer lieber am See liege als in der Halle Körbe zu werfen.

© SZ vom 13.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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