Eishockey:Grunzen von Herzen

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München gegen Mannheim, Jackson gegen Ward, Bayern gegen Baden: Am Freitag treffen sich die beiden Spitzenteams zum Gipfeltreffen in der DEL. Eine Gegenüberstellung

Von Christian Bernhard und Johannes Schnitzler

Wir wurden in dieser Saison nur zwei Mal ausgespielt", sagt EHC-Trainer Don Jackson. Das eine Mal, vor drei Wochen in Augsburg, gewannen die Münchner mit Glück trotzdem 3:2. Das zweite Mal, am 10. Oktober, hatten sie nicht so viel Glück: Beim 0:4 in Mannheim war der EHC chancenlos. Vergangenes Jahr waren die Münchner zum selben Zeitpunkt gar 0:9 untergegangen, ein Tiefpunkt unter Jacksons Vorgänger Pierre Pagé, und für Schadenfrohe ein Grund zum Spott: Red Bull verleiht Flügel - aber nur den Adlern. Zur Saisonhalbzeit 2014/15 in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) begegnen sich beide Teams auf Augenhöhe. Tabellenführer München (26 Spiele/58 Punkte) empfängt am Freitag, 19.30 Uhr, den Zweiten Mannheim (24/54). Ein Vergleich.

Trainer

Don Jackson, 58, hat als Profi zwei Mal den Stanley Cup gewonnen und als Chefcoach sechs nationale Titel. Er hat Pagés Fragment klug restauriert, den Torso mit passenden Gliedmaßen (Christensen, Regehr, Roe et.al.) ergänzt und ein Team geformt, das mehr ist als die Summe teurer Einzelteile. Geoff Ward, 52, hat nie als Profi gespielt. Als Assistent von Claude Julien gewann er 2011 mit den Boston Bruins den Stanley Cup. Hat den Nachlass von Hans Zach klug verwaltet, einige neue Rädchen (Akdag, Metropolit, Richmond et.al.) eingebaut und in Mannheim eine funktionierende Einheit konstruiert. Vorteil München

Tor

Der Moment, als Dennis Endras mit einer circa drei Hektar großen Deutschland-Fahne übers Eis fuhr, gehört zu den ikonografischen Bildern der jüngeren deutschen Sportgeschichte: Die Nationalmannschaft hatte bei der Heim-WM 2010 nach einem 1:0 gegen die Schweiz das Halbfinale erreicht, Endras wurde zum besten Torhüter und zum wertvollsten Spieler des Turniers gewählt; nie zuvor war einem deutschen Eishockeyprofi so viel Ehre zuteil geworden. Endras, damals noch Schlussmann der Augsburger Panther, die er sensationell ins DEL-Finale geführt hatte, wechselte danach in die NHL. Das Spiel gegen die Schweiz fand damals in Mannheim statt, offenbar ein gutes Pflaster für Endras. Nach einem unglücklichen Jahr in Houston und Helsinki hat sich der 29-Jährige bei den Adlern stabilisiert und nach dem Wechsel von Rob Zepp (Berlin) nach Philadelphia auch wieder als Nummer eins im Tor der Nationalmannschaft etabliert. In seiner dritten Saison in Mannheim kann er Bestwerte vorweisen: Pro Partie bekommt Endras im Schnitt nur 2,18 Gegentore. Vor ihm stehen lediglich der Düsseldorfer Tyler Beskorowany (2,13) - und beide (!) Münchner Torhüter. Niklas Treutle führt die Rangliste mit 1,88 Gegentoren an, Florian Hardy ist mit 1,95 Zweiter. Weil aber auch beim EHC nur einer im Tor stehen darf: Unentschieden

Abwehr

Richie Regehr ist mit großem Abstand der punktbeste Verteidiger der Liga (acht Tore, 18 Vorlagen). Seine 97 Torschüsse werden nur von Hamburgs Jérôme Flaake (113) übertroffen - Flaake ist Stürmer. Besonders in Überzahl ist der Kanadier für den EHC unverzichtbar: Immer wieder wird er an der blauen Linie gesucht, viermal hat Regehr, Spitzname "Rifle" (Gewehr), im Powerplay schon getroffen. Damit steht der 31-Jährige exemplarisch für Münchens offensivstarke Verteidiger. Auch Daryl Boyle (17 Punkte) und Florian Kettemer (12) scoren regelmäßig. Nicht nur für Alexander Barta ist Regehr ein "absolutes Vorbild". Einen ungewöhnlichen Spitznamen hat auch der gebürtige Rosenheimer Sinan Akdag: "Eis-Özil". Akdag war der erste DEL-Profi und deutsche Nationalspieler türkischer Abstammung. Ein Kufenkünstler ist der 25-Jährige nicht, aber auf dem besten Weg, einer der besten DEL-Verteidiger zu werden. Adler-Manager Teal Fowler lobte den Zugang aus Krefeld kürzlich explizit ("Er wird immer besser"), und auch Bundestrainer Pat Cortina konnte sich beim Deutschland Cup von seinen Qualitäten überzeugen. In der Plus/Minus-Statistik ist Özil Akdag (+14) sogar besser als Rifle Regehr (+13). Aber in Spitzenspielen zählt Erfahrung, darum:Vorteil München

Enges Duell: Neu-Münchner Daryl Boyle (vorne) im Zweikampf mit dem ehemaligen Münchner Martin Buchwieser (im Hintergrund Niklas Treutle). (Foto: Imago)

Angriff

Schnell, technisch stark und mit großer Übersicht: Garrett Roe, vom Schwesterklub EC Salzburg nach München gewechselt, hat sich schon jetzt als Spielmacher beim EHC durchgesetzt. Seine 32 Scorerpunkte (neun Tore, 23 Assists) werden in der Liga nur von Hamburgs Kevin Clark (37) überflügelt. Schlittschuhtechnisch ist er eine Augenweide, die Flügelspieler an seiner Seite profitieren von seiner Geschwindigkeit und Passqualität. Hat die Maße (1,73 m, 73 kg) und den Wendekreis eines Kleinwagens, schleppt aber Scheiben wie ein 36-Tonner. Glen Metropolit dagegen ist 40 Jahre alt, bestreitet seine erste DEL-Spielzeit - und faszinierte in den ersten Wochen die ganze Liga. Fällt der Name Metropolit, sind die Begriffe "Zauberhände" und "Zuckerpässe" nicht weit. Mitspieler Matthias Plachta nennt ihn ein "Phänomen", Adler-Kapitän Marcus Kink sagt, Metropolit verkörpere die Liebe zum Eishockey "wie kaum jemand". Kink weiß allerdings auch: "Zehn ,Metros' würden aber auch nicht helfen." Es braucht auch weniger filigrane Spieler der Marke Arbeitsbiene, zum Beispiel: Uli Maurer (München) oder Martin Buchwieser (vormals München, nun Mannheim). Maurer und Buchwieser pflegen Garmischer Idiom und bayerisches Arbeitsethos. Buchwieser rackert an der Seite von Kink und Andrew Joudrey in Mannheim. "Die Joudrey-Reihe gibt uns Energie", sagt Adler-Coach Ward. "Ich kann mich auf sie verlassen." Ersetzt man "Joudrey" durch "Maurer" und "Ward" durch "Jackson", stimmt der Satz genauso. Maurers Bavarità, der schon Pierre Pagé huldigte ("Er hat ein Herz, das ist zwei Meter groß, eben ein echter Bayer") ist so ausgeprägt, dass der Berliner Alexander Barta ihn nicht immer versteht. "Ich sage immer, er soll mich nicht so angrunzen", sagt Barta mit einem Grinsen. Später einmal sitzen Maurer und Buchwieser dann mit ihrem Stammtischbruder Felix Neureuther auf jener Parkbank, die sie sich in den Garmischer Bergen gebaut haben. Die Welt braucht Arbeiter, aber sie liebt den Künstler, Metropolit klingt glamouröser als Maurer: Vorteil Mannheim

Zuschauer

Nach zwölf Heimspieltagen kamen in den vorherigen vier Spielzeiten durchschnittlich 3264 Zuschauer ins Münchner Olympia-Eisstadion. In dieser Spielzeit sind es 3900. Für das Duell mit den Adlern wurden schon bis Dienstag mehr als 4000 Tickets abgesetzt, Tendenz: ausverkauft (6100). Auch in diesem Punkt liegt Mannheim (hinter Berlin) auf Platz zwei der DEL-Tabelle: Die SAP Arena bietet 13 600 Zuschauern Platz, 2013/14 kamen im Schnitt 11 300, aktuell sind es 10 400. Allein im Saisonvorverkauf setzten die Adler mehr als 6000 Dauerkarten ab.Vorteil Mannheim

Fazit

Klassisches Unentschieden mit optischen Vorteilen für den EHC. Am 10. April weiß man mehr. Dann beginnt das DEL-Finale.

© SZ vom 12.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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