Deutsche Eishockey-Liga:EHC Titanic

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Stolz gestartet, schmucklos untergangen: Beim EHC München tun sich vor der Länderspielpause ungeahnte Lecks auf. Wie Trainer Don Jackson sein Team wieder auf Kurs bringen will: Ein Blick ins geheime Logbuch.

Von Christian Bernhard und Johannes Schnitzler

Alle Maschinen stopp! Die MS Kristallkönigin, der strassglitzernde Stolz der Donauschifffahrt-Gesellschaft Wurm+Köck, ist zwar nicht die RMS Titanic (das königliche Postschiff ist tot, es lebe die Kristallkönigin!). Aber ein paar Parallelen gibt es schon zwischen der berühmtesten Havarie der Seefahrtsgeschichte und dem 0:4 des EHC München am Sonntag beim Tabellenvorletzten in Straubing. Mehr als 300 Münchner Fans waren von Regensburg aus donauabwärts nach Niederbayern geschippert, die Stimmung an Bord war prächtig. Statt einer schicken Schiffspartie mit integriertem Drei-Punkte-Landgang erlebten die Münchner dann aber, was es heißt, ein vermeintlich mickeriges Hindernis zu unterschätzen. Meister Ingolstadt ist nur noch einen Punkt zurück, Platz zwei in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) in Gefahr. Welche Manöver für die Länderspielpause angesetzt sind, wo weitere Gefahren drohen, verrät ein exklusiver Blick ins Logbuch von EHC-Admiral Don Jackson.

Raus aus den Kojen!

"Wir waren von Anfang an nicht bereit", sagte der Trainer nach dem Straubinger Untergang. Nicht das erste Mal, dass sein Team wirkte, als läge es gedanklich noch in den Kojen: "Da erwartest du, dass du die 10:7 abschießt", sagt Jackson. "Aber dann steht es nach dem ersten Drittel 0:1." Seine Spieler hatten den Gegner offenbar als Beifang eingestuft: So ein kleiner Eiszwerg, was soll der schon anrichten . . .

Netze einholen!

Florian Hardy dürfte sich zuletzt wie auf dem falschen Dampfer vorgekommen sein. Der französische Nationaltorhüter hat vier der ersten fünf Spiele im neuen Jahr bestritten und schien auf dem besten Weg, sich als Nummer eins zu etablieren. Der 5:4-Erfolg in Mannheim, bei dem er nach nur elf Minuten und drei Gegentoren Platz für Niklas Treutle machen musste, änderte aber alles. Seitdem ist Treutle gesetzt. Hardy bekam nur in Düsseldorf eine Chance - und musste sieben Pucks aus seinem Netz fischen. Treutle dagegen kennt sich mit Stürmen aus: Drei Jahre lang war er in Hamburg ein Fels in der Brandung.

Schotten dicht!

In Vertretung von Sascha Hehn gab Daryl Boyle am Sonntag den Chefsteward. Der Verteidiger durfte als Strafarbeit für seinen Spielausschluss in Düsseldorf (fünf Spiele Sperre) drei Donau-Stunden lang Autogramme schreiben, was er laut Augenzeugen genauso gewissenhaft wie galant erledigte. Übers Eis schlingerte die Abwehr zuletzt freilich wie ein Tanker mit Ruderschaden. Sieben Gegentore in Düsseldorf, Disziplinarstrafen gegen Boyle und Richie Regehr (gegen den die Ermittlungen eingestellt wurden), ein dicker Klops Regehrs in Straubing vor dem 0:3 - das Heck des EHC offenbarte unvermutete Lecks. Vor allem in Unterzahl, eigentlich eine Stärke der Mannschaft, gab es zahlreiche Einschläge: sechs in den jüngsten drei Spielen, bei insgesamt zwölf Gegentoren. "Wir hatten viele Verletzte", sagt Florian Kettemer. "Die Pause wird uns guttun."

Die Stimmung unter den Fans des EHC München an Bord der "Kristallkönigin" war glänzend. Allerdings nur auf der Fahrt zum Auswärtsspiel nach Straubing. (Foto: Imago)

An die Geschütze!

Das Kommen und Gehen von Verletzten und Rekonvaleszenten hat im Sturm eine Flaute ausgelöst. Die Formation um Alexander Barta, Yannic Seidenberg und David Meckler war zuletzt die einzige, die unverändert durch die gegnerischen Drittel wirbelte. Außerdem hat das Münchner Powerplay, lange Zeit das beste der Liga, einiges an Windstärke eingebüßt: In den letzten vier Partien gelangen nur zwei Treffer, in Straubing blieb der EHC ganz ohne Tor, obwohl er im Mitteldrittel mehr als fünf Minuten am Stück in Überzahl war - zwei Minuten lang sogar fünf gegen drei.

Der Erste Offizier geht von Bord

Helmut de Raaf steht angeblich vor der Beförderung zum Kapitän - allerdings auf einem anderen Schiff. Die Anzeichen verdichten sich, dass der Co-Trainer kommende Saison die Schwenninger Wild Wings als Chefcoach übernehmen wird. Beide Seiten hatten in der vergangenen Woche Gespräche bestätigt. Nun, da Sportmanager Jürgen Rumrich bei den Wild Wings offiziell im Amt ist, dürfte die Entscheidung diese Woche bekannt gegeben werden; angeblich schon am heutigen Dienstag, wie aus Schwenningen zu vernehmen ist.

Rettungsanker

Auch zu Berliner Zeiten musste Don Jackson immer wieder mal die Wogen glätten. In den Playoffs war sein Team dann aber stets hellwach an Deck: Fünf Meisterschaften in sechs Jahren sind DEL-Rekord. Die EHC-Profis haben nun ein paar Tage frei, ausgenommen Daryl Boyle und Yannic Seidenberg, die vom Bundestrainer für den Slovakia-Cup (5.-7. Februar) nominiert wurden. Für alle anderen gilt der Kapitänserlass: "Ich will, dass sie mental wieder frisch werden, dass sie bereit zurückkommen, und dass wir dann eine gute Serie hinlegen vor den Playoffs." Stürmer Meckler hat verstanden: "Es gibt keine Entschuldigung für diese Leistung, darüber müssen wir nachdenken. Wir müssen unsere Köpfe, unseren Geist und unsere Körper reinigen." Kurz gesagt: Aye, aye, Captain, Sir!

© SZ vom 03.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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