"Das Schicksal hat es gut mit mir gemeint":Im Herzen Afrikas

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Der Münchner Peter Nonnenbroich hat Kamerun zum ersten Sieg bei einer Volleyball-WM geführt - jetzt wollen sie nach Olympia.

Felix Meininghaus

Die vergangenen Wochen waren für Peter Nonnenbroich ganz schön aufwendig. "Ich hatte voll damit zu tun, die kommende Saison vorzubereiten." Eigentlich wäre für den Volleyballtrainer eher Müßiggang angezeigt gewesen, schließlich hat er zu Beginn des Jahres geheiratet und befindet sich quasi noch in den Flitterwochen. "Aber für mehr als ein verlängertes Wochenende hat es nicht gereicht." Der Münchner lebt mit seiner Frau Marie in Jaunde, der Hauptstadt Kameruns - Maries Heimat. Nonnenbroich lernte sie vor vier Jahren an seinem ersten Tag in Kamerun im Hotel kennen, ein Zufall. "Da hat es das Schicksal wohl gut mit mir gemeint." In Afrika hat der 53-Jährige sein privates Glück gefunden. Und seine berufliche Mission.

"Es gibt bessere Mannschaften als unsere, aber keine hat mehr Ausstrahlung", sagt Peter Nonnenbroich über Kameruns Nationalmannschaft. Ihre Emotionalität mache 20 Prozent ihres Potentials aus, glaubt der 53-Jährige, "mindestens". (Foto: privat)

Zurzeit ist es in Jaunde trocken bei etwas mehr als 30 Grad. Es werden in diesem Jahr noch Monate kommen, in denen das Thermometer wesentlich höher klettert. Für Nonnenbroich ist die Temperatur ein entscheidender Faktor, schließlich wird die Trainingsplanung von den klimatischen Bedingungen diktiert. Zum Beispiel davon, ob gerade Regenzeit ist. Oder, ob es so heiß wird, dass man besser frühmorgens und erst wieder kurz vor Sonnenuntergang ans Netz geht. Mangels Hallen trainieren Kameruns Volleyballer meistens unter freiem Himmel.

Professionelle europäische Standards gibt es in Kamerun nicht. So etwas wie die hierzulande üblichen stoßdämpfenden Taraflexböden etwa. Trainiert wird auf Zement und Asphalt; wenn das Spielfeld keine Schlaglöcher hat, gilt das als Luxus. Die Spieler vollführen trotzdem den klassischen Hechtbagger, "sie sind es ja nicht anders gewöhnt", sagt Nonnenbroich: "Europäische Profis würden sich mit Sicherheit weigern, auf diesem Boden zu spielen."

Was bewegt einen Mann aus dem wohlhabenden Mitteleuropa, seine Zelte in Afrika aufzuschlagen, um dort ausgerechnet Volleyballer an die internationale Spitze heranzuführen? Vor allem ein gehöriges Maß Abenteuerlust. Als Trainer wurde Nonnenbroich Meister in Deutschland (1998 mit den Frauen des Schweriner SC), in der Schweiz, in Frankreich und in Tunesien. Seit 15 Jahren fungiert er als Instructor für den Weltverband FIVB. Als eine Art Entwicklungshelfer bildet er weltweit Trainer aus, hilft, in kleinen Ländern Strukturen zu schaffen. Einen wie Nonnenbroich nennt man wohl einen bunten Vogel.

Nach Kamerun kam er auf Vermittlung der FIVB. Die war 2006 gebeten worden, einen Trainer zu vermitteln und zu finanzieren, der Kameruns Frauen bei der WM in Japan betreuen könne. Nonnenbroich sagte spontan zu: "Ich war gerade frei, und es hat mich gejuckt." Eine Mission, die er als "abenteuerlich" bezeichnet, "schließlich saß ich in Japan für ein Land auf der Bank, in das ich noch nie einen Fuß gesetzt hatte". Der Mann aus München muss bleibenden Eindruck hinterlassen haben, denn Kameruns Sportminister engagierte ihn umgehend, um auch die Männer des Landes in Form zu bringen.

Das ist bislang eindrucksvoll gelungen. Im Herbst zog Kamerun bei der WM in Italien durch den 3:1-Sieg gegen Australien in die Zwischenrunde ein und vollbrachte damit eine historische Tat. Zum ersten Mal hatte ein Land aus Zentralafrika bei einer Weltmeisterschaft ein Spiel gewonnen. Was sich danach abspielte, bezeichnet Nonnenbroich als "beeindruckendstes Erlebnis meiner Trainerlaufbahn". Oliver Nongny Zamguim Mefani vom Bundesligisten Düren ging in die Knie und verlor die Fassung. Ein 2,03-Meter-Riese mit Oberschenkeln wie Baumstämme und Händen wie Bratpfannen weinte wie ein Kind, seine Mitspieler wurden ebenfalls von ihren Gefühlen übermannt. In der Pressekonferenz flossen auch bei Nonnenbroich die Tränen.

Für Nonnenbroich ist es ein Ansatz in seiner Trainingsarbeit, diese emotionale Hingabe bei seinen Athleten zu entfachen: "Das macht mindestens 20 Prozent des Potentials aus, das in dieser Mannschaft steckt." Nonnenbroich weiß: "Es gibt mit Sicherheit bessere Mannschaften als unsere. Aber keine hat mehr Ausstrahlung." In Italien hinterließen die sprunggewaltigen Athleten nicht nur mit ihren Angriffen, sondern auch mit ausdrucksstarken Tänzen tiefe Spuren. "Wir haben mittlerweile Fanklubs, die sich auf Facebook organisieren und uns folgen."

Nun geht es darum, das nächste große Ziel in Angriff zu nehmen. Nonnenbroich will das Team, das ihm so sehr ans Herz gewachsen ist, zu den Olympischen Spielen 2012 nach London führen - "wenn der Sportminister bleibt, und man mich lässt" - und damit nicht nur den Ruhm von Kameruns Volleyballern in ihrem Land mehren, sondern sich auch seinen größten Traum erfüllen: 1972 sah Nonnenbroich als 15-Jähriger in seiner Heimatstadt das olympische Finale zwischen Japan und der Sowjetunion und nahm sich vor: "Da willst du auch mal hin."

Wenn es 40 Jahre später gelingen sollte, den Schwur von München einzulösen, wäre das für Peter Nonnenbroich eine große Sache: "Auch wenn es ganz schön lange gedauert hätte."

© SZ vom 12.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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