Spendenabzocke:Millionen in die eigene Tasche

Lesezeit: 2 min

Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen fünf Ehemalige von Wohltätigkeitsvereinen erhoben. Sie sollen fünf Millionen Euro an Spendengeldern veruntreut haben.

Alexander Krug

Ein großer Spendenskandal steht vor der juristischen Aufarbeitung. Nach mehrjährigen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen fünf ehemalige Verantwortliche der Vereine "Kinder in Not" und "Deutsche Gesellschaft Tier und Natur" erhoben. Ihnen wird vorgeworfen, über Jahre insgesamt mehr als fünf Millionen Euro an Spendengeldern veruntreut und einen Großteil davon in die eigene Tasche gesteckt zu haben.

Hier in der Lochhausener Straße hat "Kinder in Not" ein Büro. (Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Als Schlüsselfigur gilt für die Ermittler Heidrun S., 61, die mit ihren Söhnen Steffen M., 48, und Carsten S., 38, jahrelang die Geschicke der Vereine bestimmt haben soll. "Kinder in Not" (KIN) wurde von S. 1985 gegründet, bis 1998 war sie erste Vorsitzende. Zweck des Vereins mit einem Büro in der Lochhausener Straße war laut Satzung unter anderem die "Beratung und Betreuung in Not geratener Kinder und Jugendlicher". Steffen M. fungierte als 2. Vorsitzender, Carsten S., ihr Sohn aus zweiter Ehe, erledigte die Buchhaltung. Die Söhne sind ebenso angeklagt wie der aktuelle Vorstandsvorsitzende, Hans-Karl S., 67.

Heidrun S. leitete zeitweilig auch den Verein "Deutsche Gesellschaft Tier und Natur" (DGTN) mit Sitz in Hamburg. Auch hier standen ihr die Söhne zur Seite. Der Verein hat sich nach eigener Satzung der Förderung von "Umweltschutz, Naturschutz und Tierschutz" verschrieben. Erster Vorsitzender war bis 2007 der Bankkaufmann Martin S., 48. Er ist der fünfte Angeklagte in dem Verfahren.

Ausgelöst wurde der Skandal Anfang 2004 durch Anzeigen einiger misstrauischer Spender. Nach und nach bot sich den Ermittlern das Bild eines vom Familienclan der Heidrun S. dominierten Netzwerkes, das von Anfang an danach trachtete, die mitunter auch aggressiv durch Drückerkolonnen eingetriebenen Spenden für eigene Zwecke zu verwenden. Dass sie das Vereinsvermögen als eigenes Vermögen betrachteten, belegen die Ankläger mit Zahlen: Danach wurden nur etwa zehn Prozent aller Einnahmen tatsächlich für die Vereinszwecke ausgegeben.

90 Prozent versickerten in dubiosen Kanälen, wobei vor allem zwei von S. kontrollierte Firmen im Ausland eine Rolle spielten: Die "Atlantis Management und Promotions Ltd." mit Sitz in der Schweiz und die "Ribana Euro Services Establishment" in Liechtenstein. Die Firmen waren vertraglich mit den Vereinen verbunden, sie sollten etwa Mitglieder werben oder sich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmern. Nach Berechnungen der Ankläger finanzierten sich die beiden Firmen nahezu ausschließlich aus Spendengeldern der Vereine. So verbuchte "Atlantis" mehr als die Hälfte der Einnahmen aus den Spendengeldern als "Aufwandsentschädigung". Ähnlich soll es bei "Ribana" gelaufen sein. Geschäftsführerin beider Firmen war Heidrun S. Als Gehalt soll sie sich rund 250000 Euro Schweizer Franken im Jahr genehmigt haben.

Auch ihre Söhne und weitere Mitarbeiter sollen in diesem Spenden-Coup nicht zu kurz gekommen sein. Steffen M. soll in Eging in Niederbayern einen "Papageienhof" betrieben haben, für den monatlich rund 4500 Euro Pacht und Personalkosten anfielen. Viel Geld für 20 Papageien, die bei einer Durchsuchung gefunden wurden. Nicht viel anders sah es mit dem Projekt eines Müttererholungswerkes aus, das in Pechern an der deutsch-polnischen Grenze auf einem ehemaligen Gnadenhof für Tiere betrieben werden sollte. Hier konnten die Ermittler keinerlei Aktivitäten feststellen, dennoch flossen erhebliche Vereinsmittel in den Aus- und Umbau. Ungeklärt sind auch größere Mengen an Porzellan, die mit Spendengeldern erworben worden sein sollen.

Heidrun S. war bereits Anfang 2005 festgenommen worden und verbrachte einige Wochen in Untersuchungshaft. Die ungewöhnlich lange Dauer des Ermittlungsverfahrens wird vor allem Problemen mit Rechtshilfegesuchen zu den Firmen in der Schweiz und in Liechtenstein zugeschrieben. Die Anklage lautet auf gewerbsmäßige Untreue, als Strafe drohen bis zu zehn Jahre Haft. Aus Sicht der Verteidiger stellt sich die Frage nach einer Strafe allerdings nicht. Rechtsanwalt Thomas Kuhn, der Carsten S. vertritt, ist sich sicher, dass die Anklage "in sich zusammenbrechen" werde. Alle Zahlungsströme seien "nachvollziehbar" und somit seien alle Einnahmen auch nur für Vereinszwecke verwendet worden. Ein Prozesstermin steht noch nicht fest.

© SZ vom 28.08.2008/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: