Speedklettern:Über das Limit

Lesezeit: 2 min

Der Haken, er sitzt nicht, er rutscht, in der Wand aus 1000 Meter Fels, und Thomas fällt. "Am Limit", so heißt der Film über die "Huberbuam". Am Limit, das sind die Kletterer genauso wie die Filmer. Und weit darüber.

Birgit Lutz-Temsch

Alexander schwingt, 800 Meter über dem Boden, er stößt sich mit den Beinen von der senkrechten Felswand ab, hängt an einem dünnen Seil, greift nach dem Spalt, der Spalt, zu weit, er rutscht, er schwingt zurück, er schreit, tritt mit den Beinen gegen den Fels, er schwingt, der Spalt, da ist er, endlich, ein Griff, die Zeit, sie steht.

Alexander und Thomas Huber, am Limit. Im amerikanischen Yosemite Nationalpark. An der 1000 Meter hohen Wand des El Capitan. Eine Kalkwand, eine Fünftagestour für geübte Kletterer. Die beiden Brüder aus Oberbayern wollen es in zweieinhalb Stunden schaffen, den Rekord von 2:48 Stunden um 18 Minuten übertreffen. Und ein Filmteam ist mit in der Wand.

Alexander und Thomas Huber, auf dem roten Teppich. Vor dem Münchner Forumkino am Deutschen Museum. Journalisten stürmen auf sie zu, Kameramänner und Fotografen. Schweinwerferschein, "wie fühlen Sie sich hier auf dem roten Teppich?" fragt eine Journalistin. "Nicht anders als auf einem blauen", sagt Thomas Huber, die Journalistin verstummt. Der Satz schafft es nicht ins Abendprogramm.

Die Huberbuam gehören zur weltweiten Kletterelite. Sie klettern auf Felsen, weil es sie gibt, so wie der Everest-Erstbezwinger Mallory auf Berge stieg, "weil sie da sind".

Im Foyer des Forumkinos stehen Plastikfelsen, die Fotografen gruppieren die Huberbuam und den Regisseur Pepe Danquart darum, "am besten so, dass man den Feuerlöscher dahinter nicht sieht."

Bei der Filmvorführung wird allen Gästen schwindlig, die nicht klettern. Allen die klettern, erst recht. "Ned so vui sogn" will Thomas Huber hinterher, nicht so viel sagen. Der Film wird Untertitel bekommen, weil Alexander und Thomas bayerisch reden, und Danquart ihnen verboten hat "zu preisseln", damit sie so sind, wie sie wirklich sind.

Das ist gelungen. Der Film zeigt, wie sich die Brüder im Fels verstehen. Wie Thomas seinen verletzten Bruder auf dem Rücken vom Berg trägt, nach dem ersten gescheiterten Rekordversuch, als Alexander vom Himmel fiel und auf den Füßen landete, wie ein Katze, aber die Füße waren kaputt.

Er zeigt, wie sie nach dem ersten Scheitern nach Patagonien fahren, wie sie dort streiten, und die Durchsteigung des Cerro Torre nicht schaffen. Man sieht, dass sie in Konkurrenz zueinander stehen und doch eine Symbiose bilden. Dass ihre Mutter sie nicht versteht und dem Thomas Vorwürfe macht, so was Verrücktes, und daheim zwei kleine Kinder.

Blut aus den Händen und Tränen aus den Augen

Man sieht schließlich Thomas fallen, beim zweiten Rekordversuch am "El Capitan". Sieht, wie er zittert, die Haken nicht mehr schließen kann, wie ihm das Blut aus den kreideweißen Händen läuft und die Tränen aus den Augen.

In diesem Moment reden die Brüder nicht. Vorbei. Aus. So viel Berg-Arbeit. Ziel nicht erreicht. Da braucht es keine Worte. Denn beinahe wäre der eine tot, und beinahe auch der andere.

Warum sie es trotzdem machen? Und noch einmal versuchen werden? "Weil wir müssen", sagt Alexander. Die Angst ist "nirgends so definitv brutal intensiv wie in den Bergen, aber wenn man das durchsteht, dann hat man einen ganz intensiven Moment im Leben gefischt."

Speedklettern, sagt der amerikanische Spitzenkletterer Dean Potter, der sie bei ihrem Versuch unterstützt hat, sei das Zen des Kletterns: "Man denkt keine Sekunde mehr nach, was man macht, wohin man greift, wie hoch man ist, man klettert nur noch, alles ist darauf reduziert, und dann wirst du high."

Die Brüder werden den Rekord brechen. Weil sie nie aufgeben. Ihren Traum leben. Würden das mehr Menschen machen, wäre die Welt ein besserer Ort, sagt er, denn viel zu viele Menschen vergessen ihre Träume und versuchen einfach nur, zu überleben.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: