Soziales:Scharfe Kritik an der Wohnbaupolitik

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Wohlfahrtsverbände vergeben mittelmäßige Noten zur Halbzeit der Rathauskoalition

Von Jasmin Siebert

Zur Halbzeit der Rathauskoalition zieht die Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege in München eine mittelmäßige Bilanz. Bestnoten vergaben die Vertreter der Wohlfahrtsverbände für die Schulbauoffensive, am schlechtesten bewerteten sie den kommunalen dritten Arbeitsmarkt, der bisher nur auf völlig unbefriedigende Weise umgesetzt worden sei. Bestimmendes Problemfeld bleibt das Thema Wohnen - egal ob es um Integration, Bildung oder Alter ging, in allen Bereichen führte die Kritik letztlich dorthin.

Norbert J. Huber, Geschäftsführer der Caritas München, stieg bei der Pressekonferenz gleich mit dem Thema Wohnen ein. Er lobte, dass die Stadt ihren Wohnungsbau, insbesondere den sozialen, ausgeweitet hat und die selbst gesteckten Ziele fast erreicht hat: Von den 36 500 geplanten Wohnungen in den Jahren 2012 bis 2016 wurden 36 026 fertiggestellt. Bei den Sozialwohnungen waren es 8815 von 9750. Jedoch stieg die Zahl der Obdachlosen seit 2014 um ein Drittel. Huber kritisierte, dass es noch immer kein gesamtstädtisches Konzept zur Unterbringung von geflüchteten und wohnungslosen Menschen gebe. Eines der größten Probleme im sozialen Wohnungsbau sieht er in den Bindungsfristen von nur 30 Jahren. Diese seien viel zu kurz. "Wir brauchen eine dauerhafte Zweckbindung, am besten auf Ewigkeit", forderte er.

Christoph Frey, Geschäftsführer der AWO München, ergänzte: "Wir brauchen geförderte Wohnungen für Menschen, die andere versorgen." Wenn nicht bald ein Masterplan entworfen werden würde, wie München mehr Pfleger, Erzieher und Sozialarbeiter anziehen könne, drohe ein "Versorgungsinfarkt".

Marion Ivakko vom BRK machte auf das fehlende Fachpersonal in den Kitas aufmerksam. Der Mangel führe dazu, dass Kitas ihre Buchungszeiten verkürzen müssten und nur zu 85 bis 90 Prozent ausgelastet seien. Denn wenn der Betreuungsschlüssel zu oft unterschritten wird, laufen die Kitas Gefahr, staatliche Förderung zurückzahlen zu müssen - bei einer Kita mit 120 Kindern können das um die 100 000 Euro im Monat sein. Hier sollte die Stadt die freien Träger nicht mit dem Risiko alleine lassen, sondern einspringen und Rechtssicherheit bieten, forderte Ivakko. Sie lobte, dass die Schulbauoffensive einigermaßen vorankommt, mahnte jedoch, dass nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ ausgebaut werden müsse. Frühstück und Nachhilfe sollten für ärmere Kinder kostenlos sein.

Lobende Worte für die Flüchtlingsarbeit fand Günther Bauer, Geschäftsführer der Inneren Mission München. Es sei erfreulich, dass die Stadt den Slogan "Refugees Welcome" ernst meine: Alle Geflüchteten seien menschenwürdig untergebracht und der Schlüssel bei der Asylberatung liege bei 1:100. Bauer mahnt an, dass die selbstgesetzten Standards nun in eine Regelfinanzierung überführt werden müssten. Kritisch sieht er den Standort des Young Refugee Centers. Auch er hatte eine konkrete Forderung mitgebracht: Das Personal der Verwaltungsgerichte sollte dringend aufgestockt werden, um die Wartezeit für Asylbewerber, die gegen Bescheide klagen, zu verkürzen.

Große Kritik gab es am kommunalen Dritten Arbeitsmarkt, der laut Karin Majewski, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, bisher nicht umgesetzt worden sei. Eigentlich sind unbefristete sozialversicherungspflichtige Stellen für Langzeitarbeitslose vorgesehen, die sich nicht mehr in normale Arbeitsverhältnisse vermitteln lassen. Stattdessen habe die Stadt nur 100 befristete Stellen geschaffen, von denen wegen bürokratischer Hürden bisher nur 16 besetzt worden seien.

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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