Sozialamts-Außendienst mit Sicherheitspersonal:Wo bleibt da noch die Solidarität mit den Armen?

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Mehr Empathie mit den Armen wünscht sich ein SZ-Leser. (Foto: Friso gentsch/dpa)

Statt weniger gut gestellten Menschen das Leben schwer zu machen und sie pauschal in ein schlechtes Licht zu rücken, täte mehr Empathie Not

"Keine Alleingänge mehr" vom 14. Dezember und Kommentar "Sozialarbeit" vom 15. Dezember:

In diesem Kommentar von Herrn Anlauf erstaunt mich, wie fast widerspruchslos konsensgesteuert Verständnis gezeigt wird für die scheinbare Notwendigkeit des Eindringens in die Privatsphäre von hilfsbedürftigen Menschen mit Hilfe von psychologisch ungeschulten Para-Polizeitruppen.

Es ist ja lange her, dass Mitarbeiter des Sozialamtes kamen, um zu helfen. Heute sind sie in der Regel Überbringer von neuen Zwangsmaßnahmen und Kürzungen einer Hilfe, die den Namen schon lange nicht mehr verdient. Natürlich "nur", weil es "eben so Gesetz" ist. Gerade die Ärmsten sind es (im Kommentar als "Problemkunden" persifliert), die nicht nur ihr Leben, sondern nun auch noch ihre Würde und Privatsphäre abgeben müssen, um "versorgt" zu werden. Da kann ich sehr gut Verständnis aufbringen, dass diese komplett entmachteten Kreaturen dann mal - als letztes Mittel, bevor sie sich vollkommen aufgeben - übergriffig werden. Wie sonst soll man seinem Gefühl noch Ausdruck verleihen, im Strudel der neoliberalen Bereicherung einiger Weniger und eines Übergriffs gegen die Menschlichkeit? Und das hat nichts zu tun mit dem allgegenwärtigen Konsens, Gewalt abzulehnen - ohne deren Ursachen zu berücksichtigen.

Um auch diesen letzten Widerspruch, dieses letzte Bitten um Würde, niederzumachen und diese Menschen endgültig zu degradieren und ihnen jede Chance schon im Vorfeld zu nehmen, treten nun also untere Hilfspolizisten auf, deren Auftreten man ja von diversen Schlagzeilen her kennt und die letztlich selbst Opfer des Neoliberalismus sind, aber eben schnell zu Tätern werden können. Was passiert denn im Ernstfall? Würde dann geschossen? Für dieses Problem der sozialen Bedürftigkeit, für die es schon lange keine Sozialhilfe mehr gibt, sondern nur noch Almosen, darf mehr "zero tolerance"-Politik kein Mittel sein. Zumindest muss man dann auch "zero tolerance" bei den Opfern zulassen. Wir könnten uns tatsächlich wieder am 19 Jahrhundert orientieren, als es wenigstens noch Reiche gab, die sich durch Hilfe statt durch Protz in der Gesellschaft profilierten. Die Stadt hätte gute Chancen, bei der Politik anzuklopfen und mehr Geld zu fordern! Es ist doch die Stadt, die zum Verwalter der Armut wird. Geld, das immer mehr zur Verfügung steht angesichts steigender Gewinne, und mit dem man wenigstens Konsumenten als "Diener der Reichsten" erzeugen könnte.

Nebenbei: Derzeit können sich große Teile der Infektpatienten keine Antibiotika leisten, um gesund zu werden, da viele Infekte keine Anerkennung der Kassen mehr haben. Es wäre gut, einmal die Betroffenen zu Wort kommen zu lassen, bevor man gedanklich "die da" an die Kandare nimmt. Lasst uns doch mal auf die Straße gehen und Solidarität für die Armen zeigen, statt immer nur gegen Fremde zu grölen! "Wohltätigkeit ist das Ersäufen des Rechts im Mistloch der Gnade."

Wolfgang Molinari, Kiefersfelden

© SZ vom 27.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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