In ein paar Tagen wird der "Traunsteiner Lindl" verliehen. Ein Preis, den die oberbayerische Stadt seit 1967 für "echte und unverfälschte Volksmusik" vergibt. Singen und Musizieren werden in der 20 000-Einwohner-Stadt also gewürdigt, zumindest wenn sie unter das Stichwort Tradition fallen. Da passen auch die "Traunsteiner Sommerkonzerte" ins Programm, die "Sinfonischen Konzerte Traunstein" oder der "Musiksommer zwischen Inn und Salzach". Mit Pop wird in der Kreisstadt dagegen nicht öffentlich geworben. Womit die selbst ernannte "Salz-, Bier- und Einkaufsstadt" aber nicht viel anders als andere Orte in Bayern dasteht. Dass man also in Traunstein eher die Klassik und Volksmusik ins Rampenlicht schiebt, ist schade, weil die dortige Popszene allerlei Hörenswertes bietet.
Den Beweis dafür treten an diesem Samstag Allænd North, Color Comic, Heischneida, Fendt und The Marble Man bei "Sound Of Traunstein Now" im Feierwerk an. Und mit Trip-Hop, Shoegaze, Indietronica, Mundartrock, Postrock und Folk demonstrieren sie schon einmal beeindruckend die Spannbreite der vorhandenen Stile. Was da noch fehlt ist etwa Heavy Metal oder das zum Großteil bairisch gefärbte Songwriting einer Claudia Koreck. Und das, obwohl laut Chris Pham von Color Comic Metal und Mundart die Popmusikszene in Traunstein aktuell dominieren.
Als Indie-Musiker fühle man sich zunehmend als Außenseiter. "Es gab mal relativ große Indiebands wie List oder die Mustard Tubes. Nach deren Auflösung ist diese Popszene aber verlaufen." Auftrittsorte wie das Tropical oder das Café Festung zu füllen, falle ihnen als Indie-Band schwer. "Da kann man, so scheint es mir, nicht mit DJs und Mainstream-Mucke mithalten." Da es laut Pham unter einigen Bands Konkurrenzkämpfe gibt, die er persönlich nicht versteht, kann man durchaus nachvollziehen, dass Color Comic keine Perspektive in Traunstein sehen und bald in eine Großstadt ziehen wollen. Zwei Bandmitglieder leben schon in München.
Valentin Thannbichler sieht die Situation für sich und seine Band Heischneida anders. Zwar habe er gemerkt, dass die Auftrittsorte in Traunstein irgendwie weniger geworden seien, aber sonst gebe es nicht mehr oder weniger Bands als früher. Und durch die Erfolge südostoberbayerischer Bands wie Django 3000 oder La Brass Banda habe sich die öffentliche Wahrnehmung sogar verstärkt. Wobei man sagen muss, dass Heischneida mit ihrem wilden Mundart-Rock auch sehr gut in das Erfolgsrasterpassen. Ans Weggehen denken Heischneida laut Thannbichler jedenfalls nicht. Stattdessen wollen sie ihre "Verbreitungsgebiet Stück für Stück erweitern".
Die einen zieht es nach München, für andere Bands ist Weggehen kein Thema
Auch für Fricko Friese, der bei Fendt und Allænd North Gitarre spielt, ist Weggehen kein Thema. Aber das vor allem deswegen, weil er als Familienvater fest in Traunstein verankert ist. Als Musiker bewegt er sich seit den Neunzigern in der Traunsteiner Szene. Außerdem arbeitet er seit 19 Jahren als Booker im Café Festung, das mit seiner einzigartigen Bühne in einer Eishöhle für ihn den "einzig wirklichen Szenetreffpunkt" darstellt. Was man dort merke, sei, dass die Leute weniger weggehen als früher. Außerdem hätten sie wegen eines lärmempfindlichen Nachbarn mit der Stadt ein zunehmendes Problem.
Ein Phänomen, das man auch in München kennt, im benachbarten Dorf Bergen aber offenbar weniger. Dort führt Ex-DJ Andreas Auer den Ladenbergen, eine Mischung aus Tante-Emma- und Kulturladen, in dem es regelmäßig Popkonzerte gibt. Im kleinen Rahmen, mit etwa 40 Leuten, funktioniere das, so Fricke, sehr gut. Auch weil das Dorf dem Betreiber nichts in den Weg lege. Während sich der Klein- oder Großstädter über Popmusik als Lärm beschwert, erkennt man sie in Bergen als Kulturwert.