Sommerliche Festspielnacht:Opernarien statt Börsenkrach

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Ein Geldinstitut als Gastgeber, die Geladenen keine Armen: Natürlich spielt der Brexit bei der Festspielnacht eine Rolle. Das aber umso weniger, je länger sie dauert

Von Susanne Hermanskiund Jennifer Gaschler

Damit hat Theodor Weimer nicht gerechnet. Als der Sprecher des Vorstands der HypoVereinsbank ans Pult tritt, um an diesem Bilderbuch-Sommerabend die Unicredit-Festspiel-Nacht zu eröffnen, muss er erst mal über den Brexit reden. Dass die Briten für einen Austritt aus der EU stimmen könnten, habe er bis zum Moment der Wahrheit weit von sich fortgeschoben. Schließlich gelte für Banker wie für jedermann: "Totgefürchtet ist auch gestorben", sagt Weimer.

So mancher im Publikum mag im Laufe des Freitags viel Geld an der Börse verloren haben. Denn die Gästeliste des Geldinstituts zur feierlichen Eröffnung der Opernfestspiele liest sich alljährlich wie ein Who is Who der Münchner Wirtschaft und Gesellschaft. Sie fängt an mit den Vorständen anderer Banken und Versicherungen und hört beim Landespolizeipräsidenten Wilhelm Schmidbauer lange noch nicht auf. Weil die HypoVereinsbank Anfang des Jahres ihr Innenstadt-Palais an der Kardinal-Faulhaber-Straße aufgegeben hat, um in ihre frisch renovierte Silberturmzentrale im Arabella-Park zu ziehen, hat sie ihre Gäste nun in die Allerheiligen-Hofkirche der Residenz geladen.

Die Atmosphäre der Festspielnacht ist überschwänglich. Besonders gut kommen die jungen Talente des Opernstudios der Staatsoper an. (Foto: Florian Peljak)

Ähnlich imponderabel wie das britische Abstimmungsverhalten sei dabei nur eines gewesen, erzählt Weimer: Die Planung der künstlerischen Einlagen für diesen Abend vonseiten der Staatsoper. Deren Intendant, Nikolaus Bachler, beschwört das fruchtbare Miteinander im Mikrokosmos seiner Oper, die immerhin 1000 Mitarbeiter aus 47 Nationen unter ihrem Dach vereine. Mitgebracht hat Bachler neben anderen den estnischen Sänger Ain Anger. Mit seiner Bass-Arie aus "La Juive" gibt er einen Vorgeschmack auf die große diesjährige Festspielpremiere. Doch als seine kubanisch-amerikanische Kollegin Lisette Oropesa danach die hochnervöse Bravourarie "Caro nome" aus Signore Verdis Rigoletto singt, lässt sich schnell ahnen, wieviel weniger spektakulär der Abend im Zeichen von Monsieur Halévy ausfallen könnte.

Als die Festgesellschaft die Residenz in Richtung der Fünf Höfe verlässt, um in der Kunsthalle der Hypokulturstiftung weiter zu feiern, reden trotzdem wieder fast alle nur über das eine. Dabei schwirrt die Luft vor Musik an diesem Sommerabend. Schließlich ist im Namen der UniCredit auch dort, auf den Straßen und in den Höfen bis hin zum Salvatorplatz, Meisterliches geboten. 12 000 Menschen drängeln sich vor den Bühnen. Um über den Brexit zu reden, haben sie kaum Gelegenheit. Sie lauschen lieber andächtig den Gassenhauern des Opernrepertoires, französischen Chansons oder dem Percussion-Duo an der nächsten Ecke. Sie flanieren zu den A-cappella-Gruppen, zum Nachwuchs-Orchester Attacca oder der Big Band im übernächsten Hof.

In den Fünf Höfen wird musiziert, gelauscht und gefeiert. (Foto: Florian Peljak)

Bereits zum 15. Mal läutet die Festspielnacht die Münchner Opernfestspiele ein. Neben musikalischen sind auch literarische Veranstaltungen Teil des Programms, wie die Lesungen von Eva Gesine Baur, Said und Stefan Hunstein. Im kleinen Amirahof läuft zudem eine audiovisuelle Präsentation der diesjährigen Neuproduktion "South Pole" als eisiger Kontrast zu den Temperaturen von fast 30 Grad.

Viktor Schoner, der Direktor des künstlerischen Betriebsbüros der Staatsoper, meint, die Festspiel-Nacht sei vor allem ein Dank der Oper und der Künstler an das "Vertrauen und die Loyalität" der Münchner. Für viele Besucher dürfte sie auch ein kleiner Ersatz für die fast ausverkauften Opernfestspiele sein. Den größten Andrang gibt es daher vor den Operneinlagen, wie in der Bank-Filiale am Promenadeplatz. In der Kundenhalle treten junge Talente des Opernstudios der Staatsoper auf. Ihre Liebesplänkeleien des "Wildschützes" von Albert Lortzing passen besonders gut zur Atmosphäre dieser Festspiel-Nacht. Und die ist überschwänglich - wenn man nicht gerade mit dem Brexit hadert.

Auch Lisette Oropesa ist von der Allerheiligen-Hofkirche schließlich herübergekommen. Sie und ihre beiden amerikanischen Kollegen, Matthew Grills und John Moore, geben Arien und Duette von Donizetti, Leoncavallo, Puccini und Rossini zum Besten. Besonders Lisette Oropesa singt sich mit ihrer glasklaren Sopranstimme in die Herzen des Publikums. Schließlich setzt sie mit Operettenseligkeit noch eins drauf und singt "Dein ist mein ganzes Herz". Und so was ist bekanntlich ein bleibender Wert. Börsenkrach hin oder her.

© SZ vom 27.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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