Sommerfeste:Glaubensfrage

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Evangelische und katholische Kirche haben am selben Abend zur selben Uhrzeit zum Jahresempfang geladen - ein ökumenischer Fest-Vergleich

Von Christian Krügel, Jakob Wetzel, München

Gar nicht oft genug können Evangelen und Katholiken betonen, dass sie das Reformationsjubiläum heuer gemeinsam feiern wollen. Bei Sommerfesten ist das aber offenbar anders: Ausgerechnet im Jubeljahr haben die evangelische Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler einerseits, Kardinal Reinhard Marx und Diözesanratsvorsitzender Hans Tremmel andererseits ihre Jahresempfänge genau auf den selben Abend, die selbe Uhrzeit gelegt. Münchens Stadtgesellschaft musste sich am Mittwoch also für eine Konfession entscheiden - Zeit für einen ökumenischen Fest-Vergleich.

Das Ambiente

Die Katholiken sind da klar im Vorteil: Sie haben Zugriff auf die wohl schönste Sommerfest-Location der Stadt, den Park des Schlosses Suresnes. Der liegt mitten in Schwabing, ist groß genug für prächtige Buffets vor barocker Kulisse, eine schicke Cocktailbar unter Bäumen und viele verschwiegene Ecken, die selbst bei 600 Gästen noch lauschig bleiben. Das Essen liefert der Hausherr, die Katholische Akademie, erstens kostengünstig, zweitens in einer Qualität, die selbst Großcaterer und Party-Gast Lorenz Stiftl großen Respekt abnötigt. Und da der Abend überaus lau ist, dauert die katholische Gartenparty bis weit nach Mitternacht. Die evangelische Feier in der Allerheiligenhofkirche hat dagegen einen klaren Standortnachteil: Bei schönem Wetter wird es drin warm, sehr warm. Die Veranstalter machen das Beste daraus. Stets ist ein Glas Wasser griffbereit, in der Apsis geben die Reggae-Musiker Wally und Ami Warning ein Gitarrenkonzert und die Stehtische in der Kirche sorgen dafür, dass die Gäste schnell ins Gespräch kommen.

Die Botschaft

Inhaltsschwerer und politischer sind die Evangelen um die Regionalbischöfin. Breit-Keßler nutzte ihre Jahresempfänge in den Vorjahren, um über Flüchtlingshilfe oder Altersarmut zu sprechen. Heuer hat sie den Abend den Notfallseelsorgern gewidmet - all jenen Menschen, die anderen beistehen und Mut machen, wenn etwas Schreckliches geschehen ist. Sie seien Symbole der Hoffnung und "ein kostbares Geschenk an die Gesellschaft", sagt die Regionalbischöfin. "Wenn ich Sie sehe, hoffe ich immer inständig, dass Sie die Bilder des Unglücks verarbeiten können." Und die Gesellschaft sollte sich dieses Einsatzes stärker bewusst werden.

Es ist eine aufwühlende Rede, mit der Breit-Keßler selbst Joachim Herrmann (CSU) aus dem Konzept bringt. Der Innenminister legt sein Manuskript beiseite und erzählt schlicht davon, wie er zu Katastrophen gerufen wurde, zu Einsatzkräften, die Tote bergen mussten, sei es nach dem Zugunglück von Bad Aibling 2016 oder jüngst nach dem Inferno auf der Autobahn A 9 bei Münchberg. Das sei nicht nur für ihn selbst das schrecklichste Erlebnis von allen gewesen. "Alle, die dort waren, haben gesagt, so etwas hätten sie noch nie erlebt", sagt Herrmann. Die Seelsorger vor Ort hätten sich dort nicht zuletzt um die Einsatzkräfte kümmern müssen.

Fast zur selben Zeit ist die Bus-Katastrophe auch Anlass für den innigsten Moment beim Fest der Katholiken. Kardinal Marx bittet die 600 Gäste zum gemeinsamen Gebet für die 18 Toten (und für den verstorbenen Kölner Kardinal Joachim Meisner). Danach hält er eine sehr emotionale, interessant mäandernde Rede über christliches Engagement und Gesellschaft, die von der Flüchtlingshilfe und der katholischen Soziallehre bis zum Nein zu assistiertem Selbstmord und zur Ehe für alle reicht. "Kirche muss weiterhin kritisch ihre Stimme erheben", sagt er, selbst wenn sie damit gegen parlamentarische Mehrheiten stehe.

Die Ökumene

Hier machen die Katholiken einen klaren Punkt, allen voran Diözesanratsvorsitzender Hans Tremmel. Er fordert in seiner Rede, München solle einen europäischen Kirchentag ausrichten. Sogar ein Datum nennt er dafür schon: vom 5. bis 9. Mai 2027. Das klingt ein wenig futuristisch, greift aber eine Idee aus der evangelischen Kirche auf: Alle Religionsgemeinschaften Europas sollten zusammenkommen, um ein großes Bekenntnis zu Gott, zu Frieden und Nächstenliebe abzulegen. Tremmel träumt von einer Stimmung wie beim WM-Sommermärchen 2006, nur nicht mit sportlichem, sondern mit religiösem Hintergrund.

Die Gäste

Bei der evangelischen Kirche stehen ja eigentlich die Notfallseelsorger im Mittelpunkt. Doch fällt auf, dass Breit-Keßler zumindest am Anfang die hochrangigeren Gäste begrüßen kann. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (evangelisch) ist da, sein Stellvertreter Josef Schmid (katholisch) spricht beim Kardinal. Dem sagt Staatskanzleichef Marcel Huber sehr kurzfristig ab, während die Staatsregierung in der Allerheiligenhofkirche mit Innenminister Herrmann prominent repräsentiert wird. Der schafft die Kunst der Bi-Location aber an diesem Abend genauso wie Charlotte Knobloch, die Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde. Beide kommen später zu Marx, mit dem der Innenminister bis tief in die Nacht ratscht. Auffällig: Bei den Evangelen macht sich die katholische Kirche rar. Stellvertretend "für alle Katholiken" begrüßt Breit-Keßler Ordinariatsdirektorin Gabriele Rüttiger, "meine heimliche Weihbischöfin". Umgekehrt ist die evangelische Landeskirche beim Sommerfest im Schlosspark sehr präsent.

Der Satz des Abends

"Freundschaft ist die Voraussetzung, wenn man weiterkommen will!" Das sagt Kardinal Marx über seine Beziehung zu Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Die beiden höchsten Repräsentanten ihrer Kirchen in Deutschland können blendend miteinander - was an diesem Abend besonders auffällt. Der Landesbischof ist nicht in der Allerheiligenhofkirche, sondern bleibt die ganze Party über beim Kardinal. Bei Wein und Bier ratschen sie bis kurz vor Mitternacht, vielleicht auch über mögliche Termine für Sommerfeste 2018 und eine besondere ökumenische Idee: einfach mal gemeinsam feiern.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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