Sommerfest:Stark

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Wolfgang Hiddemann und sein Verein Lebensmut setzen sich dafür ein, dass Patienten besser mit der Krebsdiagnose umzugehen lernen. (Foto: Stephan Rumpf)

Leid lindern: die Spendengala des Krebshilfe-Vereins "Lebensmut"

Von Thomas Jordan, München

Es läuft gerade Jazz im Garten vor dem Schlosscafé im Palmenhaus, als die Stimmung im Gespräch kippt. "Bei mir hat sich alles verändert." Das eben noch fröhlich lachende, braun gebrannte Gesicht mit den ersten grauen Stoppeln im Dreitagebart von Oliver Krampitz verhärtet sich. Manchmal schaut der 46-Jährige im Gespräch zur Seite, damit man die Tränen nicht sieht, die ihm zwischendurch in die Augen steigen.

Die Gegensätze prallen an diesem Abend hart aufeinander rund um das historische Café auf Schloss Nymphenburg. Bei dem alljährlichen "Fest unter Palmen" des Münchner Krebshilfe-Vereins "Lebensmut" trifft die Rucksack tragende Gesprächstherapeutin auf Prominente in Abendkleid und Smoking, es sollen schließlich Spenden gesammelt werden für den guten Zweck. Rund 20 000 Euro waren es im vergangenen Jahr. Dazu werden unter den weißen Zeltschirmen vor dem Palmenhaus Drinks gereicht, in der Luft liegt Zigarrenrauch, es wird getanzt.

Und dazwischen tun sich manchmal Abgründe menschlichen Leids auf. Seit dem 25. Juli 2016 versucht der 46-jährige Ingenieur Krampitz seinen Lebensmut wiederzufinden, wie er selbst sagt. Der Tag, an dem seine Frau, die inzwischen an Krebs verstorben ist, völlig unerwartet die Diagnose Leukämie bekam. Dazu nimmt der gebürtige Niedersachse Einzelstunden in Gesprächstherapie bei Serap Tari, der Leiterin der Kontakt- und Informationsstelle vom Verein Lebensmut.

Knapp 300 Vereinsmitglieder finanzieren im Moment über ihre Beiträge und Spenden zwölf Mitarbeiter. Sie alle setzen sich begleitend zu Chemotherapie und Operation dafür ein, dass Krebspatienten und ihre Angehörigen einen persönlichen Weg finden, besser mit der Diagnose umzugehen, die für viele ein Schock ist. "Dass sich die Patienten mit der Krankheit versöhnen, dass sie merken, es ist kein Todesurteil, es ist eine Herausforderung", das sieht der Münchner Krebsforscher Wolfgang Hiddemann als eine der wichtigen Leistungen des Vereins "Lebensmut", den er am Universitätsklinikum Großhadern 1999 gegründet hat.

"Eine professionelle und völlig unabhängige Meinung zu bekommen, das hilft Ihnen zu reflektieren", sagt Oliver Krampitz, der nach der Krebs-Diagnose seiner Frau erst einmal völlig vor den Kopf gestoßen war. "Nach zwei Gesprächen wusste ich, was meine Rolle ist." Für ihn ist der Umgang mit dem Tod seiner Frau ein Prozess, und manchmal bricht dabei die Verzweiflung wieder durch.

Ein ständiger Balanceakt ist das "Fest unter Palmen" auch für die Psychoonkologin Serap Tari. Permanent wechselt sie zwischen der Rolle als Gastgeberin und Therapeutin, begrüßt Prominente wie die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, und hat nebenbei ein Auge darauf, dass es ihren Patienten gut geht. "Der Psychoonkologe ist ein Netzwerkexperte", sagt Tari. Und weil die seelischen und körperlichen Bedürfnisse von Krebspatienten so unterschiedlich sind, ist die 50-Jährige an diesem Abend unermüdlich unterwegs und bringt Gesprächspsychologinnen, Kunsttherapeutinnen und Kindertherapeutinnen mit Patienten und ihren Angehörigen ins Gespräch. Insgesamt vierzehn verschiedene Hilfsangebote listet "Lebensmut" auf seiner Homepage auf, darunter auch die Möglichkeit, nicht mit Worten, sondern über selbst gemalte Bilder einen Zugang zur Krankheit zu finden. Sie alle stehen Betroffenen kostenlos zur Verfügung.

Für Josef Gall war es neben der Gesprächstherapie eine neue, entspannende Art zu atmen, die dem heute 63-Jährigen geholfen hat, mit der Diagnose Lymphdrüsenkrebs besser umzugehen. 2011 war das. Den Krebs sieht er als Teil einer größeren Lebenskrise, die sich mehr und mehr zuspitzte. "Meine Ehe war völlig im Keller" sagt er. Ihm habe es "wirklich sehr viel gebracht, dass man mal über die ganzen Ängste sprechen kann", sagt er und lächelt dabei ein tief zufriedenes Lächeln.

Heute, nach vier Chemozyklen, ist der gelernte Schriftsetzer völlig geheilt. "Ich möchte etwas von dem zurückgeben, was ich bekommen habe", fügt er noch hinzu, deswegen engagiert er sich jetzt selbst in der Begleitung von Krebspatienten für den Verein, dessen Wirken er auf eine ganz einfache Formel bringt: "Lebensmut macht Lebensmut."

© SZ vom 06.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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