Sicherheitskonferenz: Interview mit dem Polizeipräsidenten:"Solche Verhältnisse wollen wir in München nicht'"

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Ist die Münchner Polizei auf dem rechten Auge blind und sieht sie links besonders scharf? Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer verteidigt das rigorose Vorgehen gegen Mitglieder der linken Szene.

Bernd Kastner

Verfahren, Anzeigen, Durchsuchungen - die SZ berichtete über den Eifer von Polizei und Staatsanwaltschaft bei Maßnahmen gegen echte oder vermeintliche Linke, die dann vor Gericht meist freigesprochen werden. Der Polizeipräsident weist die Vorwürfe zurück.

München Polizeipräsident: Wilhelm Schmidbauer (Foto: Foto: dpa)

SZ: Auch seriöse Kritiker werfen der Polizei nicht vor, auf dem rechten Auge blind zu sein, sehr wohl aber, dass Sie auf dem linken Auge besonders scharf sehen.

Schmidbauer:

Das ist schlicht und einfach falsch. Die Polizei steht auf der Seite der Gesetzestreuen, und da gilt gleiches Recht für alle. Die politische Orientierung spielt dabei keine Rolle. Wenn jemand die Gesetze bricht, dann steigen wir ihm auf die Füße. Allerdings verurteilen wir ihn nicht, das macht dann das Gericht ...

SZ: ... oder auch nicht, wenn man an die zahlreichen Freisprüche und Einstellungen denkt gegen Beschuldigte aus der linken Szene denkt.

Schmidbauer:

Wir haben ja nur den Sachverhalt und die dazugehörenden Beweggründe zu ermitteln, das ist im Legalitätsprinzip verankert. Ob dann der Sachverhalt mit all den Motiven dahinter zu einer Gefängnisstrafe oder einem Freispruch führt, das ist Aufgabe der Staatsanwälte und Richter.

SZ: Viele werfen Ihnen vor, dass die Polizei Kleinigkeiten groß aufbauscht.

Schmidbauer:

Das ist ein falsches Verständnis des Rechts. Ob etwas eine Kleinigkeit ist oder nicht, das entscheidet das Gericht. Wir ermitteln den Sachverhalt, wenn es einen Anfangsverdacht gibt, wir dürfen uns nicht anmaßen wegzuschauen. Ich räume gerne ein, dass das vielleicht in anderen großen deutschen Städten so gemacht wird, aber diese Verhältnisse werden in München nicht ersehnt.

SZ: Das heißt, die Münchner Polizei ist besonders scharf.

Schmidbauer:

Wir beachten nur die Gesetze. Bei der Strafverfolgung haben wir keinen Ermessensspielraum.

SZ: Sie können Ihre Kritiker, die der Polizei vorwerfen, es besonders auf die Linken abgesehen zu haben, also überhaupt nicht verstehen.

Schmidbauer:

Wenn Sie Aktionen gegen den wiedererstarkten Neonazis meinen, dann habe ich viel Verständnis dafür. Aber eben nur so lange, als man sich an die Gesetze hält. Und die haben ja nicht wir erfunden als Polizei. Es wäre eine Polizei der Beliebigkeit, wenn wir entscheiden: Da wenden wir das Gesetz an, da nicht, je nachdem, ob uns derjenige gefällt oder nicht, der uns gegenübersteht. Das würde zu Willkürherrschaft führen.

SZ: Ihre Kritiker sagen, Ihr Staatsschutz und die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft missverstehen ihre Arbeit. Sie machen mit ihrer Strafverfolgung selber Politik.

Schmidbauer:

Die hätten es gerne, dass wir mal einen Fehler machen in dieser Richtung, um uns diese mangelnde Neutralität nachzuweisen. Dieser Vorwurf ist falsch, deshalb ist der Nachweis bis heute nicht gelungen.

SZ: Man denkt dabei an eine Pressekonferenz im Jahr 2002 von SPD, Grünen und Gewerkschaften im Vorfeld einer Neonazi-Demo. Eine Polizistin besucht die Veranstaltung, berichtet dem Staatsschutz, und der will sofort das Rathaus-Büro der Grünen durchsuchen. Ist das kein politischer Übereifer?

Schmidbauer:

Überhaupt nicht. Die Polizistin war nicht verdeckt dabei, sie war Mitarbeiterin der Pressestelle. Uns hat es überrascht, dass es bei diesen Veranstaltern zum Anfangsverdacht einer Straftat kam. Hätten wir damit gerechnet, hätten wir jemanden vom Staatsschutz hingeschickt.

SZ: Und dass der Staatsschutz dann gleich im Rathaus durchsuchen will, ist das normal?

Schmidbauer:

Das ist ordentliches Polizeihandwerk. Dazu stehe ich auch. Dass das Gericht dazu sagt, die Durchsuchung braucht's nicht, ist ein ganz normaler rechtsstaatlicher Vorgang. Ich versteh nicht, was daran so schlimm sein soll, wenn die Polizei die Wahrheit rausfinden will.

SZ: Ist der Staatsschutz immer bei Pressekonferenzen der Linken dabei?

Schmidbauer:

Nur wenn zu erwarten ist, dass zu Straftaten aufgerufen wird.

SZ: Ist das, aus Polizei-Sicht, im Vorfeld der Siko nicht immer zu erwarten?

Schmidbauer:

Nein, nein! Wir haben ein paar tausend Demonstranten, und nur ein paar hundert Gewaltbereite aus dem schwarzen Block. Ein Problem ist, dass sich die Veranstalter dieser Demo nicht eindeutig zur Gewaltfreiheit bekennen. Sie mogeln sich immer knapp am Aufruf zur Gewalt vorbei.

SZ: Apropos Veranstalter. Was halten Sie von der Äußerung des Konferenz-Organisators Horst Teltschik? Der nannte es die ,,Tragik der Demokratie'', dass jeder seine Meinung äußern dürfe, weshalb man die Politiker so massiv schützen müsse.

Schmidbauer:

Ich halte genau diese Meinungsfreiheit für die Stärke der Demokratie. Jeder darf gegen alles demonstrieren, aber friedlich und ohne Waffen. Teltschiks Aussage halte ich für falsch. Es ist keine Formulierung, die zur Deeskalierung beiträgt. Das macht uns die Arbeit nicht leichter.

© SZ vom 9.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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