Sendlinger Tor:Mahnwache zum Drogentod

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Für die Einrichtung von Drogenkonsumräumen demonstrierten auch Suchthilfeexperten aus Nürnberg. (Foto: sru)

Eine 51-jährige Frau ist bereits das 34. Rauschgiftopfer

Von Martin Bernstein

Eine Erklärung hat die Polizei für die traurige Zwischenbilanz nicht: Die aktuelle Zahl der Drogentoten in Stadt und Landkreis München liegt weit über den Vergleichszahlen der Vorjahre. Inzwischen musste das Präsidium schon das 34. Rauschgiftopfer in diesem Jahr melden - zum Vergleich: In den Vorjahren waren bis Mitte Juli 23 (2014) beziehungsweise 27 (2013) Menschen an den Folgen ihrer Drogensucht gestorben.

Am vergangenen Donnerstag war gegen 15.45 Uhr eine 51-jährige Münchnerin von einem Bekannten tot in ihrer Wohnung im Westend aufgefunden worden. Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen und die Obduktion der Toten ergaben, dass die Frau im Vorfeld Heroin konsumiert haben dürfte und sich zahlreiche Fentanyl-Pflaster aufgeklebt hatte. Fentanyl wirkt schmerzlindernd und beruhigend und kann zu Atemstillstand führen.

Traurige Aktualität also für eine Mahnwache, mit der der Suchthilfeverein Condrobs zusammen mit der Alternativen Jugend- und Drogenhilfe Mudra aus Nürnberg am Dienstagnachmittag am Sendlinger Tor für die Einrichtung von Drogenkonsumräumen demonstrierte. In derartigen geschützten Räumen, so Olaf Ostermann, Leiter des Condrobs-Kontaktladens Limit in der Emanuelstraße, könnten Drogensüchtige mit riskantem Konsum besser erreicht und aufgrund der dort geleisteten Hilfen Drogentodesfälle deutlich reduziert werden. Das ging auch aus den Statements von Condrobs-Klienten hervor, von ihren Erfahrungen berichteten.

In sechs Bundesländern gibt es seit 1994 Drogenkonsumräume: in Hamburg (fünf), in Frankfurt (vier), in Berlin (drei) sowie in Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Essen, Hannover, Köln, Münster, Saarbrücken, Troisdorf und Wuppertal. In ihnen werden steriles Spritzbesteck und andere Utensilien bereitgehalten. Abhängige können das von ihnen mitgebrachte Rauschgift unter Aufsicht medizinisch geschulten Personals konsumieren. Ein Bundesgesetz regelt seit 15 Jahren die Bedingungen, für den Betrieb muss allerdings jedes Bundesland eine eigene Verordnung erlassen. In Bayern sind Drogenkonsumräume dagegen bisher nicht erlaubt. Seit 2012 verzeichnet Bayern laut Condrobs in absoluten Zahlen die meisten Drogentoten, die Zahlen im Freistaat seien zudem in den vergangenen drei Jahren gestiegen. "Drogenkonsumräume tragen dazu bei, Drogentod zu verhindern", sagt Condrobs.

In den vergangenen zehn Jahren schwankte die Zahl der Rauschgifttoten im Bereich des Polizeipräsidiums München zwischen 39 (in den Jahren 2011 und 2012) und 56 (im Jahr 2007). 2014 wurden 48 Menschen in Stadt und Landkreis München Opfer verschiedener Drogen. Klaus Fuhrmann, Bereichs-Geschäftsführer bei Condrobs, hat sich bereits nach den ersten dramatischen Zahlen im Frühjahr klar für die Schaffung von Drogenkonsumräumen ausgesprochen: Weniger Konsumenten würden sich dann mit chronischen Erkrankungen wie Hepatitis und HIV infizieren, weil bessere Aufklärungsarbeit möglich sei. "Drogentod an Langzeitfolgen wird dadurch verringert." Außerdem sei in solchen Räumen eine Kontaktaufnahme zu intravenös konsumierenden Klienten möglich, die bisher durch die Suchthilfe nicht erreicht werden.

Dagegen hat kürzlich Hubert Halemba, Dezernatsleiter Rauschgift im Polizeipräsidium, auf die rechtlichen Probleme hingewiesen, die sich für die Polizei mit der Schaffung solcher Räume ergeben würden, und Drogenkonsumräume für München abgelehnt.

© SZ vom 15.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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