Sendlinger Moschee:Die sollen erst mal Deutsch lernen

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In München wird ein dreistöckiger Kuppelbau in einem "urbayerischen Stadtteil" mit allen Mitteln bekämpft.

Tanja Rest

Mittag in Sendling, die Glocken von St. Korbinian haben gerade zwölf Mal geschlagen; von der Brüstung zwischen den beiden Kirchtürmen blickt der gekreuzigte Christus auf den Gotzinger Platz herab. Die Türme von St. Korbinian ragen 55 Meter in den Münchner Himmel.

Das hat bis vor einem Jahr noch keinen interessiert. Inzwischen ist die Höhe gewissermaßen gewachsen. "20 Meter höher", sagen die Gegner der Sendlinger Moschee, "wenigstens das."

Das Viertel im Süden der Stadt, von dem man an diesem Tag oft hören wird, dass es "urbayerisch" sei, ist in Wahrheit ein blitzlebendiges Mischgeschöpf. Gleich hinterm Gotzinger Platz steht die Großmarkthalle mit ihren Waren aus ganz Europa.

Es gibt eine italienische Trattoria, einen türkischen Fischhändler, einen türkischen Imbiss und den Lebensmittel-Türken, von dem die Alt-Sendlingerin genauso ihr Fladenbrot bezieht wie die zugewanderte Frau mit Kopftuch. Die Alt-Sendlingerin sagt: "Ich kauf' hier seit Jahren, das sind ganz freundliche Menschen." Sie sagt aber auch, dass eine Moschee nicht hierher gehöre. "Noch dazu gegenüber von der Kirche!"

Die Moschee polarisiert

Gegenüber der Kirche liegt zurzeit noch ein Parkplatz. Da soll sie hin, die Moschee. Sie soll nicht in den Hinterhof oder in die Außenbezirke und damit aus dem Bewusstsein der Stadt verbannt werden. Die Sendlinger Moschee, ein dreistöckiger Kuppelbau mit zwei je 41 Meter hohen Minaretten, wird sichtbar sein. "Ein Zeichen von Offenheit und Toleranz", sagen die einen. "Eine Provokation", sagen die anderen. Und zwischen diesen Positionen gibt es nichts. Nur Streit.

Wenn man nun aber weiß, dass sich in München etwa 80 000 Menschen zum Islam bekennen; wenn man die Enge und Zweckmäßigkeit ihrer Gebetsräume bedenkt; wenn man die Realität des multi-konfessionellen Deutschland anerkennt: Dann ist ein muslimischer Kuppelbau, zumal an einem so weltoffenen Platz wie diesem, doch eigentlich logisch. Oder nicht?

Gar nichts ist logisch. Die Aufregung ist nicht logisch, weil sie irgendwann vergessen hat, dass es wirklich nur um den Bau eines Hauses geht. Die Argumente sind nicht logisch, tun aber so. Die Argumente klingen oft, als ob sich das Misstrauen einen PR-Berater genommen hätte. Das Misstrauen wiederum speist sich aus dem Bauch von Deutschland, in dem der 11. September, Osama bin Laden und neuerdings irgendwie auch die Hisbollah zu einem undefinierbaren, widerwärtigen Klumpen geronnen sind, den keiner sehen soll. Nicht mal die Standpunkte sind logisch.

"Urbayerische" Ehepaare argumentieren für, Türken gegen die Moschee - es gibt keine Fremdheitsfront, die einmal quer durch Sendling laufen würde. Aber es gibt einen Eindruck: dass diese Moschee von vielen nicht gewollt wird.

Nach drei Stunden und sehr vielen Gesprächen kann man eine Art Master-Dialog zusammenschrauben.

-Wie stehen Sie zur Moschee?

-"Ich finde, dass man muslimischen Menschen nicht so viel Raum geben sollte, weil die hier ja nur zu Gast sind." (Besucher von St. Korbinian)

-Aber viele Moslems sind gar keine Gäste, sondern Bundesbürger . . .

-"Aber warum wollen die denn 'ne Riesenmoschee haben? Eine kleine Moschee ohne Minarette sollte doch wohl einem Moslem reichen." (Seine Frau)

- Haben Muslime nicht das gleiche Recht auf Gotteshäuser wie Christen?

-"Was heißt hier Gleichberechtigung? Die sollen erst mal Deutsch lernen." (Der Mann vom Imbissladen)

- "Gehen Sie mal in die Türkei und versuchen, eine Kirche zu bauen gegenüber einer Moschee!" (Anwohnerin)

-Weil andere es falsch machen, müsssen wir doch nicht das Gleiche tun.

- "Es geht nur um das Parkplatzproblem. Die Moschee stört mich nicht. Ob die jetzt unbedingt hierher passt, ist eine andere Sache." (Der Metzger)

-"Die sollen an den Stadtrand, wo sie hingehören! Fragen Sie mal den Birhan, den Fischhändler, der ist auch dagegen." (Der Café-Betreiber)

- "Ich bin nicht dagegen, aber der Baulärm wär' halt nicht so gut fürs Geschäft." (Der türkische Fischhändler)

Die anderen Stimmen sind selten und viel leiser. Die Diskussion sei "beschämend", sagt ein Mann mit Aktenkoffer. Er könne doch nicht täglich beim türkischen Gemüsehändler Obst kaufen, "dem Mann aber ein Haus verweigern, in dem er beten kann".

Eine Studentin findet, die Moschee sei eine "Bereicherung". Sie sagt aber auch, dass sie die Aufregung "ein wenig" nachempfinden könne: "Die Stadt hat das schon irgendwie verbockt."

Es ist in diesem Fall tatsächlich einiges falsch gemacht geworden, schon ganz zu Beginn. Die Sendlinger Moschee hatte von Anfang an viele Befürworter - die muslimische Gemeinde und den türkisch-islamischen Trägerverein Ditim; außerdem den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude und sogar die Münchner katholische Kirche.

Alle wollten diese Moschee - aber keiner redete mit den Menschen, die einmal in ihrer Nähe wohnen würden. Kurz gesagt: Es gab keinen einleitenden Dialog, beziehungsweise, dieser Dialog wurde dann an den Stammtischen und von den Parteien geführt.

Eine Moschee in einem "urbayerischen" Stadtteil ist ein herrliches Sprungbrett für Politiker. Der grüne Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag hat der CSU vorgeworfen, "das Thema zu instrumentalisieren, um Stimmung gegen Muslime zu machen".

Ministerpräsident Stoiber dagegen

Ministerpräsident Edmund Stoiber drohte im April, er werde prüfen lassen, ob die Baugenehmigung noch zu verhindern sei. Das hat sein Innenminister Günther Beckstein inzwischen erledigt: Die Regierung von Oberbayern will den von der Stadt erlassenen Bauvorbescheid für ungültig erklären lassen. Es geht um eine angeblich rechtswidrige Abweichung der Abstandsfläche bei einem der beiden Minarette.

Die Befürworter haben unterdessen versucht, alles wieder gut zu machen. Christian Ude hat die Sendlinger Bürgerversammlung zwei Mal abstimmen lassen, zuletzt gab es eine hauchdünne Mehrheit für die Moschee. Die katholische Kirche St. Korbinian und der Moscheeverein Ditim haben eine gemeinsame Homepage eingerichtet: www.gotzingerplatz.de.

Mangelnde Information

Aber bis heute steht an diesem Platz keine Infotafel, die erklären würde, welcher Bau aus welchen guten Gründen da eigentlich geplant ist. Und im Kirchenschiff muss man lange wühlen zwischen Misereor-Prospekten und Gemeindeblättchen, bis man auf einen kleinen Stapel Moschee-Postkarten stößt.

Fatima Feldmann sagt, sie finde das alles "sehr schade". Sie steht am Gotzinger Platz im Regen, im Osten das zugeparkte Grundstück, auf dem irgendwann einmal ein Kuppelbau mit zwei Minaretten stehen soll, im Westen die Kirche mit dem gekreuzigten Jesus hoch oben auf der Brüstung. "Es ist doch eine schöne Idee, dass sich der Islam und das Christentum in die Augen schauen, wie Brüder."

Fatima Feldmann trägt Kopftuch und ist mit einem Deutschen verheiratet. "Ich war mal in der Kirche", erzählt sie, "weil ich sehen wollte: Wie beten die anderen. Aber eine Frau hat laut geschimpft: Was willst du hier in der Kirche mit deinem Kopftuch?" Da sei sie gegangen, sagt sie.

© SZ vom 10.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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