Seifenkistenrennen:Notfalls wird geschoben

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Karotten und Raketenwagen beim Seifenkistenrennen: Ambitionierte Bastler und halbe Portionen trafen sich zum "Großen Preis der Au" in München.

Christina Warta

Luis Vogt ist einer jener Sportler, die vor dem Wettkampf keine Interviews mehr geben. Konzentration ist alles, und wohl deshalb hat sich Luis Vogt auf dem Stuhl des Rennleiters direkt am Start niedergelassen. Von hier oben studiert er noch einmal den Streckenverlauf: erst zwei zu umfahrende Abdeckungen im Asphalt, dann eine weite Linkskurve, eine etwas engere Rechtskurve und schließlich die Ziellinie. Dann gähnt Luis plötzlich, er sperrt den Mund auf und kuschelt sich auf dem Stuhl zusammen. "Er ist etwas müde", erklärt seine Mutter Elvira Vogt. Denn Luis ist gerade mal fünf Jahre alt - und damit der jüngste Pilot beim "Großen Preis der Au", dem Seifenkistenrennen am Gebsattelberg.

Auf der Ideallinie ins Ziel: Luis Vogt aus München gewinnt beim Seifenkistenrennen die Halbe-Portions-Klasse. (Foto: Foto: Robert Haas)

Rund 65 Teilnehmer haben sich in diesem Jahr angemeldet. "Das sind relativ viele", sagt Rennleiter Bernhard Kiefer. In einer Sportklasse ermitteln Kinder und Jugendliche zwischen acht und 18 Jahren den bayerischen Meister. "Das ist so ähnlich wie in der Formel 1", erklärt Kiefer. Gestartet wird in zwei Altersklassen mit genormten Fahrzeugen, fast jede Woche findet irgendwo in Bayern ein Rennen der Wettkampfserie statt. Leonard Vogt, 15 Jahre alt und der Bruder von Luis, war 2007 bayerischer Meister. Zuhause hat Leonard das Regal voller Pokale, jetzt steht er, einen silbernen Helm auf dem Kopf, lässig im Startbereich und nippt am Energiedrink. Neuerdings startet Leonard in der "Freien Klasse". Er sagt: "Jetzt geht es um den Spaß." Der Leistungsdruck, das strenge Reglement - man muss das verstehen.

Erst Karotte, dann Opel

"Ohnehin ist der Spaß oberste Motivation für Seifenkistenfahrer. "Der Trend geht zur freien Klasse", sagt Bernhard Kiefer. Was das bedeutet? "Dass man mit irgendwas den Berg runterfährt." Zum Beispiel mit dem silbergrauen Raketenwagen, den sich Werner Winkler gebaut hat, inspiriert von einem Opel-Modell um 1900. Winkler gehört nicht unbedingt zu den Schnellsten, aber in jedem Fall zu den Auffälligsten - und das nicht zum ersten Mal. "Im letzten Jahr bin ich in einer Karotte gefahren und habe mich als Hase verkleidet", erzählt er zufrieden. Danach hat er die Karotte zum Raketenwagen umgebaut, sehr viel schneller ist sie allerdings nicht geworden. "Ich habe den letzten Platz hier schon oft verteidigt", sagt Winkler.

Von einer Startrampe werden die Seifenkisten auf die rund 300 Meter lange Rennstrecke geschoben. Wenn die Gefährte unten am Mariahilfplatz ins Ziel sausen, haben die schnellsten gerade mal 30 Sekunden gebraucht. Manche zuckeln gemütlich den Berg hinunter, schwanken hin und her und haben Mühe, die Spur zu halten. Andere schleichen katzenartig über den Asphalt, nehmen immer mehr Fahrt auf und geben beim Bremsen ein hohes Sirren von sich. Und wieder andere haben grundsätzliche Probleme mit ihrer Konstruktion. "Irgendwie funktioniert das heute alles nicht", sagt einer der Jungs aus der Seifenkiste mit der Startnummer eins. Weil die rote Kiste einfach nicht rollen wollte, hat er seinen Kumpel kurzerhand den ganzen Berg hinabgeschoben und ist jetzt völlig außer Atem.

Profis dagegen sind Nadine Hirsch und ihr Vater Siegfried. Sie ist zwölf, fährt bereits ihre dritte Saison. "Ich fahre fast jedes Rennen mit", sagt die dunkelhaarige Pilotin und fügt cool hinzu: "Wer bremst, verliert." Dann zwängt sie sich in ihre schmale, windschnittige Kiste. Vater Siegfried, der in Personalunion auch noch als Cheftrainer, Mechaniker und Chauffeur tätig ist, instruiert seine Tochter vor dem letzten Testlauf: "Bleib links!", ruft er, dann: "Bleib rechts!", doch da hört ihn Nadine vermutlich schon längst nicht mehr.

So geht es den ganzen Nachmittag an der von begeisterten Zuschauern gesäumten Gebsattelstraße: Die Polizei-Seifenkiste hat ihren Gegner übrigens abgehängt, was man als braver Bürger denn doch beruhigend findet. Das Konstrukt der Grünen ist zumindest beim ersten Mal dem SPD-Wägelchen davongefahren, was dem Oberbürgermeister zu denken geben sollte. Die Schokoladenkiste eines Spezialitätenladens im Tal hat zwar ziemlich gewackelt, kam aber dennoch heil im Ziel an.

Und auch Nachwuchsfahrer Luis konnte einen ersten Erfolg verzeichnen: Er sauste mit seiner orangefarbenen Maus-Seifenkiste seinem direkten Konkurrenten davon. Luis Vogt wurde am Ende übrigens Meister einer neuen, eigens für ihn eingerichteten Klasse: der Halbe-Portions-Klasse. Plötzlich war der hoffnungsvolle Nachwuchspilot übrigens gar nicht mehr sonderlich müde.

© SZ vom 04.05.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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