Science Busters:Wider den tierischen Ernst

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"Was wären Sie lieber: ein Seehase, ein Wasserbär oder ein Wurmgrunzer?" Die "Science Busters" stellen ihr neues Projekt vor.

Oliver Hochkeppel

"Was wären Sie lieber: ein Seehase, ein Wasserbär oder ein Wurmgrunzer?" - das ist die Eingangsfrage des neuesten Werks der "Science Busters", das es unter dem schönen Titel "Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln - Was wir von Tieren über Physik lernen können" jetzt gleich im Dreierpack gibt: Als Buch, als Hörbuch mit drei CDs und als Bühnenprogramm. Und die Frage ist selbstverständlich eine Fangfrage. Nichts anderes darf man von den durchtriebensten Wissenschaftskabarettisten erwarten, die dieser Globus bislang beherbergt hat.

Mehr noch als Harald Lesch und seine nächtlichen kosmologischen Betrachtungen beweisen diese drei Österreicher, dass man hochkomplexe, vermeintlich nur für Spezialisten verständliche Materie sehr wohl zu beiderseitigem Gewinn der breiten Öffentlichkeit nahe bringen kann: Indem man sie nämlich auf die direkten Bezüge zum Alltagsleben herunterbricht. Dabei spielt es für die "schärfste Wissenschafts-Boygroup der Milchstraße" (Eigenbeschreibung) keine Rolle, ob diese Wechselwirkungen zu uns Normalos offensichtlich oder stark an den Haaren herbeigeholt sind, Hauptsache, es ist abstrus, spannend, vor allem aber lustig genug.

Der Aufstieg der Science Busters vom Geheimtipp über den Hallen-"Event" (ein Ausdruck, der den dreien herzlich zuwider ist) bis zum Mediendarling - abgesehen von diversen Auftritten bei Alfred Dorfers "Donnerstalk" oder Lanz  & Co. verlängert der ORF gerade die wöchentliche Kolumne um 22.50 Uhr - ist selbst das Ergebnis von sinnvoller Arbeitsteilung und Spezialisierung.

Seit der gelernte Kabarettist Martin Puntigam den Hobby-Kleinkünstlern Heinz Oberhummer und Werner Gruber den advocatus diaboli macht, ihnen die Experimente schwarzhumorig einfärbt und auch die Buchtexte satirisch zurechtrückt, geht es massenwirksam voran. Und das dürfte sich jetzt auch nicht ändern, wo es richtig tierisch wird.

Zum Beispiel kann man mit dem neuen Wurf lernen, dass der Pandabär eigentlich eine unglaubliche Fehlkonstruktion und Kaninchen tödlich sein können, dass Oktopoden auf ihre Art vielleicht klüger als Menschen sind oder welche Netze Spinnen unter Drogeneinfluss bauen. Man kann überdies lernen, wie Lernen überhaupt funktioniert.

Und ganz nebenbei: Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln geht wirklich, unter Umständen bekommt man sogar einen Nobelpreis dafür: In den Sechzigerjahren untersuchte der Neurowissenschaftler Eric Kandel anhand der Aplysia californica, einer auch Seehase genannten großen Wasserschnecke, wie Neuronen funktionieren. Er fand heraus, dass die Schnecke ihren Kiemenrückziehreflex für zwei bis drei Stunden mittels Synapsenrückbildung unterdrückt, wenn man ihren Siphon, ihre hintere Austrittsöffnung, zehn Mal im Abstand von 30 Abstand streichelt - Habituation des Gehirns nennt man das.

Ohnehin sollte man den all diesen wissenschaftlichen Belustigungen zugrunde liegenden Ernst nicht übersehen. Der Aufklärung gilt ihr Streben, das zeigt sich unter anderem an Sätzen wie jenem zum Thema Musterbildung im Gehirn: "Bei Betrügereien und Scharlatanerien wie Astrologie, Homöopathie, Religion und Ähnlichem wird genau aus diesem menschlichen Bauartfehler vorsätzlich und bewusst Gewinn gezogen." Da kann man erahnen, dass der Kern- und Astrophysiker Oberhummer auch Vorsitzender der "Konfessionslosen Österreichs", Chef-Atheist und Skeptiker ist; und dass der Experimental- und Neurophysiker Werner Gruber als Erfinder der kulinarischen Physik nur dogmatisch wird, wenn es ums Essen geht.

Was die Eingangsfrage angeht: Wurmgrunzer wär's. Warum, das kann man am 3. November im Audimax der LMU erfahren. Oder bereits an diesem Donnerstag im Ampere. Dieser Buchpräsentationstermin hat den Vorzug, dass einmalig auch Harry Rowohlt dabei ist, der das Hörbuch mit eingelesen hat. Seine preisgekrönten Übersetzungen - von Robert Crumb über Flann O'Brian bis zu Kurt Vonnegut -, vor allem aber die Rezitationen dieser und anderer Werke machen auch ihn zum Solitär in dieser Milchstraße. Selbst die Texte der Science Busters werden mit seiner Stimme noch komischer.

Science Busters & Harry Rowohlt: Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln.

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